Im Kosmos der Mikroorganismen existieren viele Organismen mit erstaunlichen Eigenschaften. Eine Fähigkeit, die alle von ihnen teilen und die sie für Anwendungen jeglicher Art interessant macht, ist deren Wachstum. Wir wollen uns an diesem Prozess beteiligen, indem wir Form, Gestalt oder andere Eigenschaften dieser mikroskopisch kleinen Lebewesen beeinflussen und versuchen, sie nach unseren Wünschen zu steuern. Dafür richten wir unsere Aufmerksamkeit auf ihren Lebensraum. Zur Bildung dieses sogenannten Habitats nutzen wir Hydrogele. Sie gewährleisten die Nährstoffversorgung und schützen gleichzeitig vor äußeren Einflüssen wie Austrocknung oder mechanischem Stress.
Wir fragen uns: Wie können wir das Wachstum vorhersehbar machen? Wie können wir es gestaltend nutzen? Und welche Rolle spielt der Organismus im Gestaltungsprozess? Ist er ein Material, ein Gestalter oder etwas ganz anderes?
Wir experimentieren mit grundlegenden Formgebungsverfahren wie dem Tauchen oder dem Gießen. Durch diese Verfahren lassen sich die Lebensräume der Organismen genau definieren. Im Projekt „Habitat“ zeigen wir Erkenntnisse aus dem Gestaltungsprozess. Damit wollen wir veranschaulichen, wie Menschen und Organismen zusammenwirken können, um neuartige Prozesse, Produkte oder Dienstleistungen zu gestalten.
Explorativ untersuchen wir anhand verschiedener Materialien und Organismen die Möglichkeit, Produkte und Artefakte durch Steuerung des Wachstums entstehen zu lassen. Um sich schon im Labor von der Zweidimensionalität der üblichen Petrischale zu befreien, haben wir einen Prozess entwickelt, der Habitate für Mikroorganismen dreidimensional formt. Das verwendete Material besteht größtenteils aus dem Hydrogel Alginat. Dieses lässt sich einfach verarbeiten und wird in der Biotechnologie dazu verwendet, Mikroorganismen oder auch Enzyme räumlich zu binden und zu immobilisieren.
Um eine dreidimensionale Form zu erzeugen, wird das Alginat im flüssigen Zustand in eine Negativform aus Silikon gegossen, tiefgefroren und nachfolgend in ein Bad aus Calciumchlorid getaucht. Durch die Calciumionen polymerisiert das Alginat und behält seine Form auch im anschließenden Auftauprozess. Dieses Verfahren bezeichnen wir als „Freeze Moulding“. Schließlich wird der Nährboden mit ausgewählten Organismen „beimpft“ und von ihnen bewachsen.
Insgesamt entstanden während unserer Untersuchungen 100 Experimente mit verschiedenen Hydrogel-Nährstoff-Variationen und verschiedenen Organismen. So konnten wir Möglichkeiten und Grenzen für das gezielte Wachstum analysieren und darüber hinaus Gestaltungsszenarien diskutieren. Im weiteren Verlauf setzten wir uns mit den Herstellungsverfahren des Dip Moulding und des Slip Casting auseinander, die uns zukünftig industrienahe Produktionsweisen ermöglichen.
Angelehnt an den Herstellungsprozess des Slip Casting, bekannt aus der Porzellanherstellung, ist es uns gelungen, ein Habitat als Hohlkörper herzustellen. Die Herstellung erfolgt zunächst nach dem Prinzip des Freeze Moulding, jedoch wird die Polymerisation nach 30 Minuten unterbrochen. Das restliche, noch flüssige Alginat wird abgegossen, sodass lediglich eine Schichthülle zurückbleibt. Diese Grenzschicht aus Alginat lässt den Transport von Nährstoffen zu, bildet aber dennoch eine schützende Barriere für die Organismen.
Dies erlaubt uns, Wechselwirkungen zwischen Wachstum und Lebensraum konzeptuell weiterzudenken und praktisch zu erforschen. Beispielsweise ist es vorstellbar, im Inneren des Habitats verschiedene Organismen gleichzeitig wachsen zu lassen. Daraus könnte zukünftig eine Schuhsohle entstehen. Das Produktkonzept beschreibt die Bildung einer weichen Myzelschicht im Fersenbereich durch das Wachstum eines Pilzes wie etwa Inonotus obliquus. Zusätzlich könnten Biomineralien, wie sie zum Beispiel durch das Bakterium Sporosarcina pasteurii hergestellt werden, die entstehende Struktur partiell stabilisieren. Für den vorderen Fußbereich könnte ein flexibles, lederartiges Material mit selbstheilenden Eigenschaften, wie es der Pilz Ganoderma lucidum bildet, Verwendung finden. Das gewachsene Material kann anschließend aus dem Habitat entformt und weiterverarbeitet werden.
Dieses Konzept sieht vor, einen Schuhschaft durch gezieltes Wachstum verschiedener Organismen herzustellen. Inspiriert ist der Herstellungsprozess vom industriellen Verfahren des Dip Moulding, das normalerweise bei der Produktion von Latexhandschuhen oder Kondomen eingesetzt wird. Im Gegensatz dazu wird in unserem Konzept durch Tauchen eine Schicht aus Hydrogel und Nährstoffen auf den Schuhleisten aufgetragen, um einen optimalen Nährboden zu schaffen. Der eigentliche Schuhschaft entsteht erst durch das Wachstum der Organismen auf dieser Schicht. Nach Abschluss des Wachstums könnte der in Form gewachsene Schaft wie eine Socke abgezogen, mit Schnürsenkeln versehen und auf die Sohle aufgebracht werden.
Von Mikroorganismen hergestellte Produkte finden sich nicht mehr nur im medizinischen und im Bio-Tech-Bereich. Auch eine Vielzahl von Konsumgütern wird bereits mit lebendigen Materialien produziert. Inzwischen konnte die Ökobilanz der biotechnologischen Produktion weiter verbessert werden – hohe Temperaturen oder Drucke sind ohnehin nicht notwendig. Natürliche Wachstumsprozesse ermöglichen eine größere Vielfalt und komplexere Strukturen, als wir Menschen sie technisch erzeugen könnten. Das Produktdesign nutzt diese für anpassungsfähige, individuelle und aktive Produkte.
Synthetische und technische Kunststoffe gibt es noch für Spezialanwendungen, sie zirkulieren in geschlossenen Kreisläufen. Alle anderen Produkte basieren auf natürlich vorkommenden Kunststoffen, die nach der Nutzung technisch oder biologisch recycelt werden.
Gesellschaftlich hat sich eine Denkweise durchgesetzt, die die kleinsten Lebewesen als symbiotische Partner versteht. Wir sehen Mikroorganismen als unabdingbare Helfer an, denen wir beste Lebensbedingungen verschaffen, damit auch wir von ihren Eigenschaften und Erzeugnissen profitieren.
Im Kosmos der Mikroorganismen existieren viele Organismen mit erstaunlichen Eigenschaften. Eine Fähigkeit, die alle von ihnen teilen und die sie für Anwendungen jeglicher Art interessant macht, ist deren Wachstum. Wir wollen uns an diesem Prozess beteiligen, indem wir Form, Gestalt oder andere Eigenschaften dieser mikroskopisch kleinen Lebewesen beeinflussen und versuchen, sie nach unseren Wünschen zu steuern. Dafür richten wir unsere Aufmerksamkeit auf ihren Lebensraum. Zur Bildung dieses sogenannten Habitats nutzen wir Hydrogele. Sie gewährleisten die Nährstoffversorgung und schützen gleichzeitig vor äußeren Einflüssen wie Austrocknung oder mechanischem Stress.
Wir fragen uns: Wie können wir das Wachstum vorhersehbar machen? Wie können wir es gestaltend nutzen? Und welche Rolle spielt der Organismus im Gestaltungsprozess? Ist er ein Material, ein Gestalter oder etwas ganz anderes?
Wir experimentieren mit grundlegenden Formgebungsverfahren wie dem Tauchen oder dem Gießen. Durch diese Verfahren lassen sich die Lebensräume der Organismen genau definieren. Im Projekt „Habitat“ zeigen wir Erkenntnisse aus dem Gestaltungsprozess. Damit wollen wir veranschaulichen, wie Menschen und Organismen zusammenwirken können, um neuartige Prozesse, Produkte oder Dienstleistungen zu gestalten.
Explorativ untersuchen wir anhand verschiedener Materialien und Organismen die Möglichkeit, Produkte und Artefakte durch Steuerung des Wachstums entstehen zu lassen. Um sich schon im Labor von der Zweidimensionalität der üblichen Petrischale zu befreien, haben wir einen Prozess entwickelt, der Habitate für Mikroorganismen dreidimensional formt. Das verwendete Material besteht größtenteils aus dem Hydrogel Alginat. Dieses lässt sich einfach verarbeiten und wird in der Biotechnologie dazu verwendet, Mikroorganismen oder auch Enzyme räumlich zu binden und zu immobilisieren.
Um eine dreidimensionale Form zu erzeugen, wird das Alginat im flüssigen Zustand in eine Negativform aus Silikon gegossen, tiefgefroren und nachfolgend in ein Bad aus Calciumchlorid getaucht. Durch die Calciumionen polymerisiert das Alginat und behält seine Form auch im anschließenden Auftauprozess. Dieses Verfahren bezeichnen wir als „Freeze Moulding“. Schließlich wird der Nährboden mit ausgewählten Organismen „beimpft“ und von ihnen bewachsen.
Insgesamt entstanden während unserer Untersuchungen 100 Experimente mit verschiedenen Hydrogel-Nährstoff-Variationen und verschiedenen Organismen. So konnten wir Möglichkeiten und Grenzen für das gezielte Wachstum analysieren und darüber hinaus Gestaltungsszenarien diskutieren. Im weiteren Verlauf setzten wir uns mit den Herstellungsverfahren des Dip Moulding und des Slip Casting auseinander, die uns zukünftig industrienahe Produktionsweisen ermöglichen.
Angelehnt an den Herstellungsprozess des Slip Casting, bekannt aus der Porzellanherstellung, ist es uns gelungen, ein Habitat als Hohlkörper herzustellen. Die Herstellung erfolgt zunächst nach dem Prinzip des Freeze Moulding, jedoch wird die Polymerisation nach 30 Minuten unterbrochen. Das restliche, noch flüssige Alginat wird abgegossen, sodass lediglich eine Schichthülle zurückbleibt. Diese Grenzschicht aus Alginat lässt den Transport von Nährstoffen zu, bildet aber dennoch eine schützende Barriere für die Organismen.
Dies erlaubt uns, Wechselwirkungen zwischen Wachstum und Lebensraum konzeptuell weiterzudenken und praktisch zu erforschen. Beispielsweise ist es vorstellbar, im Inneren des Habitats verschiedene Organismen gleichzeitig wachsen zu lassen. Daraus könnte zukünftig eine Schuhsohle entstehen. Das Produktkonzept beschreibt die Bildung einer weichen Myzelschicht im Fersenbereich durch das Wachstum eines Pilzes wie etwa Inonotus obliquus. Zusätzlich könnten Biomineralien, wie sie zum Beispiel durch das Bakterium Sporosarcina pasteurii hergestellt werden, die entstehende Struktur partiell stabilisieren. Für den vorderen Fußbereich könnte ein flexibles, lederartiges Material mit selbstheilenden Eigenschaften, wie es der Pilz Ganoderma lucidum bildet, Verwendung finden. Das gewachsene Material kann anschließend aus dem Habitat entformt und weiterverarbeitet werden.
Dieses Konzept sieht vor, einen Schuhschaft durch gezieltes Wachstum verschiedener Organismen herzustellen. Inspiriert ist der Herstellungsprozess vom industriellen Verfahren des Dip Moulding, das normalerweise bei der Produktion von Latexhandschuhen oder Kondomen eingesetzt wird. Im Gegensatz dazu wird in unserem Konzept durch Tauchen eine Schicht aus Hydrogel und Nährstoffen auf den Schuhleisten aufgetragen, um einen optimalen Nährboden zu schaffen. Der eigentliche Schuhschaft entsteht erst durch das Wachstum der Organismen auf dieser Schicht. Nach Abschluss des Wachstums könnte der in Form gewachsene Schaft wie eine Socke abgezogen, mit Schnürsenkeln versehen und auf die Sohle aufgebracht werden.
Von Mikroorganismen hergestellte Produkte finden sich nicht mehr nur im medizinischen und im Bio-Tech-Bereich. Auch eine Vielzahl von Konsumgütern wird bereits mit lebendigen Materialien produziert. Inzwischen konnte die Ökobilanz der biotechnologischen Produktion weiter verbessert werden – hohe Temperaturen oder Drucke sind ohnehin nicht notwendig. Natürliche Wachstumsprozesse ermöglichen eine größere Vielfalt und komplexere Strukturen, als wir Menschen sie technisch erzeugen könnten. Das Produktdesign nutzt diese für anpassungsfähige, individuelle und aktive Produkte.
Synthetische und technische Kunststoffe gibt es noch für Spezialanwendungen, sie zirkulieren in geschlossenen Kreisläufen. Alle anderen Produkte basieren auf natürlich vorkommenden Kunststoffen, die nach der Nutzung technisch oder biologisch recycelt werden.
Gesellschaftlich hat sich eine Denkweise durchgesetzt, die die kleinsten Lebewesen als symbiotische Partner versteht. Wir sehen Mikroorganismen als unabdingbare Helfer an, denen wir beste Lebensbedingungen verschaffen, damit auch wir von ihren Eigenschaften und Erzeugnissen profitieren.