Bis 2018 werden historische Wandbehänge des Dresdner Residenzschlosses durch die Textilmanufaktur wiederhergestellt
Die seit 2014 in die Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle integrierte Textilmanufaktur hat einen umfassenden, bis Anfang 2018 ausgelegten Großauftrag zur Wiederherstellung des Paradeschlafzimmers August des Starken im Dresdner Residenzschloss erhalten. Das vom Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement vergebene Projekt mit einem Gesamtvolumen von 1,3 Millionen Euro umfasst die akribische und detailgenaue Rekonstruktion der historischen Wandbehänge des dort 1717 bis 1718 entstandenen Paradeschlafzimmers. Im Sommer dieses Jahres begannen an der BURG die Rekonstruktionsarbeiten. Koordiniert von Werkstattleiterin Ilona Fitzner bringen seither neun dafür eigens eingestellte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Handarbeit die Applikationen auf dem wertvollen Goldbrokat der Wandbekleidungen, der Bettvorhänge und der äußeren Bettkränze an, um so das rekonstruierte Paradeschlafzimmer wieder in seiner alten Pracht erstrahlen zu lassen. Um die detailechten und fadengenauen Samtapplikationen in alter Technik zu ermöglichen sind insgesamt rund 26.500 Arbeitsstunden nötig. Der in Frankreich eigens dafür hergestellte Goldbrokat wird auf einer Länge von über 150 Metern in der Textilmanufaktur bestickt und soll bis Anfang des Jahres 2018 fertiggestellt sein.
Um die zusätzlichen Mitarbeiter für die selten angewandte Stickereitechnik zu finden, ging man im Frühjahr 2016 neue Wege: In Kooperation mit dem VHS-Bildungswerk Magdeburg wurde eine durch das Jobcenter Halle (Saale) geförderte Qualifizierungsmaßnahme gestartet. Hierbei durchliefen in drei Durchgängen mehr als zwanzig Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Maßnahme. Inzwischen konnten für die Projektlaufzeit neun Arbeitsverträge geschlossen werden. Weitere Qualifizierungsmaßnahmen neuer Mitarbeiter sind bereits angestrebt.
„Bei diesem Projekt treffen Tradition und Zukunft aufeinander: Es zeigt, wie nicht nur die Textiltradition, sondern auch die Textilkompetenz Sachsen-Anhalts in die Gegenwart und Zukunft transferiert werden können“, sagt Dr. Reiner Haseloff, Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt.
„Der gewonnene Großauftrag macht deutlich, dass die Textilmanufaktur mit den betrieblichen Aufgabenbereichen der Restaurierung und Replikherstellung auf der einen und der Einbindung in die Lehre und Forschung auf der anderen Seite bestmöglich und erfolgreich in die Kunsthochschule integriert werden konnte“, so Wolfgang Stockert, Kanzler der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle.
„Wir freuen uns sehr, dass durch die Förderung des Jobcenters Halle (Saale) bereits neun geeignete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über das VHS-Bildungswerk Magdeburg qualifiziert und eingestellt werden konnten“, ergänzt Jan Kaltofen, Geschäftsführer des Jobcenters Halle (Saale). „Damit ist es nun möglich, das erforderliche Spezialwissen im Rahmen dieses aufwändigen Projektes an neue Mitarbeiter weiterzugeben und zugleich neue berufliche Perspektiven zu schaffen.“
Das Paradeschlafzimmer gehört zu den ehemaligen Paraderäumen des Dresdner Residenzschlosses. Dieses entstand 1717 bis 1718 unter dem sächsischen Kurfürsten Friedrich August I. von Sachsen, auch genannt August der Starke, anlässlich der Feierlichkeiten zur Hochzeit seines Sohnes Friedrich August mit der Kaisertochter Maria Josepha. Acht dieser Paraderäume, die von Matthäus Daniel Pöppelmann und Raymond Leplat als Repräsentations- und Festräume entworfen und mit kostbarster Ausstattung versehen waren, werden momentan rekonstruiert um zukünftig die Augusteische Zeit in ihrer beeindruckenden Prachtentfaltung wieder erfahrbar machen. Höhepunkte der einstigen textilen Ausstattung waren die glanzvollen Wandbespannungen und Behänge im Audienz- und Schlafgemach.
Obwohl im Zweiten Weltkrieg das Residenzschloss nahezu völlig zerstört wurde, konnten Teile der Wandbekleidungen durch rechtzeitige Auslagerung gerettet und nun als Vorlage verwendet werden. Seit den 1980er Jahren wird der Renaissancebau in der Dresdner Innenstadt als Residenz der Kunst und Wissenschaft wiederaufgebaut. Zurzeit beherbergt der Ursprungsort der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden fünf Museen, darunter das Kupferstichkabinett und das Grüne Gewölbe.
Textilmanufaktur der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Die seit 2014 in die Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle integrierte Textilmanufaktur befindet sich auf dem Campus Design (Ernst-König-Str. 2) und ermöglicht fundierte und fachbereichsübergreifende Lehre und Forschung in der Hoch- und Flachweberei, Stickerei, Näherei und Färberei. Zudem befinden sich dort auch die Werkstätten für Textilsiebdruck und Jacquardweberei. Die Textilmanufaktur ermöglicht so eine umfassende Ausbildung für die Studienrichtungen Malerei/Textile Künste (Fachbereich Kunst) und Textildesign (Fachbereich Design) und führt außerdem gewerbliche Auftragsarbeiten wie beispielsweise hochwertige Textilrestaurierungen von Tapisserien, Kostümen oder Stickereien aus. So wurden für die Stiftung Bauhaus Dessau etwa Kostüme aus den 1920er Jahren gereinigt und konserviert, derzeit erfolgt zudem die Konservierung eines Webbildes von 1931 für die Stiftung. Im Jahr 2016 fertigte die Textilmanufaktur der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle des Weiteren ein neues Leinengewebe für die Wandbespannung im Barockschloss Delitzsch (Sachsen) an, auch Tapisserien aus dem Schloss Wachau (Sachsen) wurden hochwertig restauriert. Bereits 2015 wurden Tapisserien der Villa Reitzenstein (Stuttgart) und des Schlosses Ehrenburg (Coburg) restauriert. Die Textilrestaurierung bildet dabei einen Teil des Forschungsgebiets von Prof. Ulrich Reimkasten (Malerei/Textile Künste). Ein Studienangebot im Bereich Textilrestaurierung wird zudem derzeit angestrebt.
Geschichte der Textilmanufaktur
Die Textilmanufaktur der BURG blickt auf eine lange, wechselvolle Geschichte zurück: 1946 gegründet, war die seit 1958 in der Hallenser Puschkinstraße ansässige Textil- und Gobelinmanufaktur bis zur Wiedervereinigung als Produktionsbereich der Hochschule angegliedert. Sie wurde 1960 zur drittgrößten Weberei der DDR und stellte ab 1966 unter dem Namen VEB HAWEBA neben Gobelins auch Teppiche her.
Seit 1992 wurde die Textilmanufaktur als GmbH des Landes Sachsen-Anhalt weiter geführt. Während dieser Zeit blieb die Hochschule dank Kooperationsvereinbarungen der Studienrichtungen Malerei/Textile Künste sowie Mode- und Textildesign mit der Textilmanufaktur weiterhin aufs engste verbunden. Zudem erarbeitete sich die Einrichtung – nun unter der Firmierung Staatliche Textil- und Gobelinmanufaktur – in den 1990er Jahren internationales Renommee, vor allem im Bereich der Restaurierung und Konservierung von historischen Textilien und Tapisserien. Um die Wirtschaftlichkeit der Manufaktur zu sichern war jedoch stets ein staatlicher Zuschuss notwendig. Im Oktober 2012 entschied sich die Landesregierung von Sachsen-Anhalt deswegen, die defizitär wirtschaftende Staatliche Textil- und Gobelinmanufaktur Halle GmbH zu liquidieren.
Die geplante Schließung – und damit der drohende Wissensverlust der vielfältig spezialisierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in verschiedensten Techniken – konnte durch die Integration in die Kunsthochschule verhindert werden. Wolfgang Stockert, Kanzler der Burg, setzte sich vehement für den Erhalt der Textilmanufaktur ein, um nicht zuletzt auch die vielfältigen Ausbildungsmöglichkeiten für Studierenden zu erhalten. 2014 fand schließlich die Integration der Textilmanufaktur in die Hochschule ihren Abschluss, im November 2014 konnte der Umzug in das neue Gebäude auf dem Campus Design erfolgen. Das Archiv der Kunsthochschule übernahm und sicherte dadurch auch das einzigartige textile Archiv der Einrichtung, das bedeutende Stücke aus der gesamten Wirkungszeit der Manufaktur enthält. Neben den neun zusätzlichen, für den Großauftrag gewonnenen Mitarbeitern, sind vier weitere in der Textilmanufaktur beschäftigt.
Auftrag zur Rekonstruktion des Paradeschlafzimmers August des Starken
Ort: Textilmanufaktur, Ernst-König-Str. 2 (2. Etage), Campus Design, 06108 Halle (Saale)
Auftragszeitraum: Sommer 2016 bis Anfang 2018
Auftraggeber: Staatsbetrieb Sächsisches Immobilien- und Baumanagement
Gesamtetat: 1,3 Millionen Euro