Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten als politische Praxis

Die Techniken wissenschaftlichen Arbeitens wirken auf den ersten Blick banal und dröge. Es scheint wenig aufregend, sich mit Zitationsweisen, dem korrekten Erstellen eines Quellenverzeichnisses und Querlesetechniken zu befassen. Und stundenlanges Unterstreichen wichtiger Textpassagen und die Pflege der Zitationssoftware gelten selbst unter Wissenschaftler*innen als eher unliebsame Tätigkeiten ihrer Profession. Kein Wunder also, dass Claudia Mareis vor einigen Jahren dem Design eine diffuse Theoriefeindlichkeit attestierte und die wenigsten Designstudierenden große Lust haben, sich mit den Grundlagen theoretisch-wissenschaftlichen Arbeitens auseinanderzusetzen.

Allerdings scheint insbesondere im Design, wo oft noch die längst überholte Trennung von Theorie und Praxis vorgenommen wird, auch übersehen zu werden, dass (design)theoretisches Arbeiten auch eine Praxis ist. Und zwar eine, die überaus politisch ist. Die Zitation bietet hierfür ein Beispiel, denn durch sie können Menschen ignoriert und ausgegrenzt, andere privilegiert und in den Fokus gerückt werden. Wie können wir damit umgehen? Und wie können wir Zitate als politische Instrumente gezielt einsetzen?

Wir wollen uns in dem Seminar gemeinsam den Fragen widmen, die durch die Konventionen wissenschaftlichen Arbeitens aufgeworfen werden. Zum Beispiel, inwiefern der etablierte theoretische Betrieb im Design neuen Gedanken eine Chance bietet, und inwiefern er sie blockiert. Oder wessen Stimmen gehört, und welche zum Verstummen gebracht werden. Wir wollen überlegen, wie wir mit unserer Arbeit denen Gehör verschaffen können, die bislang marginalisiert wurden. Und welche politischen Statements wir mit der Wahl unserer Arbeitsmethoden abgeben.

Wir wollen aber auch Fragen aufwerfen, die größere Kontexte betreffen: Können oder dürfen eigentlich alle Menschen zu Design forschen und wenn nein, wo verlaufen die unsichtbaren Grenzen? Bieten Bibliotheken und Online-Portale wirklich Zugang zu Wissen für alle? Und wenn nicht, welche Hürden müssen überwunden werden, um sie als Nicht-Wissenschaftler*in sinnvoll nutzen zu können? Wer hat Zugang zu Softwarelösungen für Wissenschaftler*innen und wie kann man KI für seine Zwecke nutzen?

Designstudierenden wird in diesem Seminar nicht nur eine gründliche Einführung in das wissenschaftliche Arbeiten geboten, sondern es wird auch auf der Basis transdisziplinärer Lektüre ein Verständnis von theoretischer Arbeit als politischer Praxis vermittelt.

Das Seminar richtet sich an Studierende der Design Studies aber auch Studierende andere Studiengänge, die eine Master oder Bachelor Thesis verfassen müssen. Die Teilnahme soll ihnen ermöglichen Arbeiten zu schreiben, die den Standards wissenschaftlichen Arbeitens entsprechend und zugleich einem politischen oder sogar aktivistischen Anspruch genügen.