Die Fassade eines Gebäudes dient als äußere Hülle. Zum Einen schützt sie das sensible Innere und gleichzeitig gibt sie ein kulturelles Statement im Stadtgefüge ab - ähnlich der Kleidung als Hülle des menschlichen Körpers, um ihn zu schützen, und der Mode als Statement im gesellschaftlichen Kontext. So funktioniert die Fassade ganz ähnlich wie die Kleidung als zweite Haut. Ein Unterschied zwischen der Kleidung und der Hausfassade ist allerdings die Halbwertszeit, denn anders als einen Mantel kann man sie nicht so einfach auswechseln oder ausziehen. So gilt hier wie letztlich auch in der Mode das Prinzip der Nachhaltigkeit und eine große Verantwortung für eine langlebige Ästhetik. Erweitert man die Betrachtungen der Fassade so, dass man sie sinnbildlich als Stoff versteht, entstehen neue Potenziale für die Gestaltung: Das Gewebe dient als Modell für die Gebäudehülle.

In einem festzulegenden Maßstab könnte das Gebäude in Materialien wie Holz, Metall oder ähnlichem realisiert werden. Textile Materialien sind hier auch möglich, aber nicht nötig. Die Struktur des Gewebes steht für die Struktur der Fassade, d.h. die Aufgaben der einzelnen Fäden im Gewebe bekommen Analogien in einzelnen Funktionen wie Wetterschutz, Versorgungsleitungen von Klimasystemen, Schallschutz oder Innenverkleidungen. Ein wichtiges Element bei der Transformation des textilen Gebildes auf die Architektur ist die notwendige Transparenz. Fensteröffnungen müssen in der Konstruktion mitbedacht werden.

Die Dreidimensionalität der textilen Konstruktion steht im Mittelpunkt: entweder als Raum vergleichbar mit dem “ready to wear” gestrickten Pullover oder als dreidimensionale Fläche, vergleichbar mit dem Gewebe an sich, das immer eine eigene Räumlichkeit bildet durch die Fäden, die selber ein Volumen haben und die eine Verkreuzung miteinander bilden, die Zwischenräume erzeugt.

Ein weiterer Aspekt ist die Wirkung der Fassade auf die Passantin, die sich im Stadtraum bewegt. Wie sich die Wirkung eines jeden Stoffes durch die Bewegung verändert, kann auch eine Fassade aus verschiedenen Blickwinkeln kinetisch sehr unterschiedlich wirken. Erreicht wird das vor allem durch den gezielten Einsatz von Farbe und Dreidimensionalität.

Ziel ist es, ein textiles Modell für eine Fassadengestaltung zu entwerfen. Das Gewebe kann sich auf eine einzelne Wand beziehen bis hin zur kompletten Hülle eines Gebäudes. Angestrebt wird, ein dreidi- mensionales Gewebe zu konstruieren, das die Hülle oder Fassade eines fiktiven oder realen Gebäudes darstellt. Die Konstruktion des Stoffes in Kombination mit verschiedenen Farben und Materialien dienen als Vorbild für die Umsetzung der Fassade. Statt eines Gewebes kann die Konstruktion auch durch eine andere textile Technik gebildet werden wie Stricken, Flechten, Knoten, Klöppeln oder Häkeln.

In der ersten Kompaktwoche “3D+Null” erkunden wir experimentell in einem Workshop das Nebeneinander von Dreidimensionalität und Leere in verschiedenen textilen Techniken als Grundlage für die späteren Entwürfe. Für die Umsetzung stehen die Selectron- und Tastaturwebstühle, sowie der Faltenwebstuhl zur Verfügung, die später jeweils mit eigenen Ketten bestückt werden können. Zusätzlich stehen der Grobstricker, die Zwirnmaschine und vorauss. ein Bandwebstuhl zur Verfügung.

Das Projekt wird begleitet von Matthias Sauerbruch und Lina Lahiri vom Architekturbüro Sauerbruch-Hutton. Bei einem Besuch im Büro SHA in Berlin stehen die Architekturmodelle im Mittelpunkt. Die Ausstellung “Hella Jongerius: Kosmos weben” im Gropiusbau dient ebenfalls als Inspirationsquelle. Zu Beginn des Semesters werden Texte zu Architektur und Stofflichkeit gelesen und besprochen und eine Sammlung interessanter Fassadenbeispiele angelegt.