Im Seminar werfen wir eine feministische Perspektive auf Kunst, die aus den Erfahrungen im sozialistischen System der DDR entwickelt wurde. In den 1980er Jahren entstanden abseits der offiziellen kulturpolitischen Vorgaben intermediale, experimentelle und kollektive Arbeitsweisen. Vor allem weibliche* Kunstschaffende widmeten sich kritisch hegemonialen Erzählungen zu Geschlecht und Sexualität sowie Identität und Geschichte. In ihren Werken, die meist am kulturellen Rand bzw. in der Subkultur oder auch „für die Kiste“ produziert wurden, finden sich gesellschaftliche und künstlerische Gegen-Entwürfe. Ihre darin zum Ausdruck kommenden emanzipatorisch-künstlerischen Anliegen werden zunehmend im Kontext feministischer Kunstgeschichtsschreibung und Erinnerungskultur thematisiert (u.a. Stammer u.a. 2009, Pejić 2009, Rosenfeld/Husse 2019).
Anhand von vielfältigen Beispielen untersuchen wir, wie sich mit künstlerischen Mitteln ein feministischer Diskurs in der DDR entwickelte. Dafür beleuchten wir die Verschränkungen dieser Praktiken mit der offiziellen Kulturpolitik sowie mit der Ebene von Körper- und Darstellungspolitiken. Damit verbunden besprechen wir Fragen nach Zugängen und der Wirkmacht des westlich geprägten Kunstkanons als ‚unsichtbarem Bezugspunkt‘ (Hock 2018), der noch oft die Rezeption nicht-westlicher Werke bestimmt. Der Aufbau von eigenen Archiven und Handlungsräumen sowie eigensinnige mediale Formen werden als subversive Strategien untersucht.
Literatur:
- Rosenfeld, Elske/Husse, Suza (Hg.): wildes wiederholen – Dissidente Geschichten zwischen DDR und pOstdeutschland #1, Berlin: Archive Books 2019.
- Richter, Angelika/Stammer, Beatrice E./Knaup, Bettina (Hg): und jetzt. Künstlerinnen aus der DDR. Ausstellungskatalog Künstlerhaus Bethanien, Berlin 27. November – 20. Dezember 2009, Nürnberg: Verlag für moderne Kunst 2009.
- Pejić, Bojana: Proletarier aller Länder, wer wäscht eure Socken? Gleichheit, Dominanz und Differenz in der osteuropäischen Kunst, in: Gender Check – Rollenbilder in der Kunst Osteuropas, Textband deutsch, Museum Moderne Kunst Stiftung Ludwig Wien: König 2009, S. 16-27 (Gender Check – Femininity and Masculinity in the Art of Eastern Europe, Exhibition Catalogue mumok, Vienna November 13, 2009 - February 14, 2010 and Zachęta National Gallery of Art, Warsaw March 19 - June 13, 2010).
- Hock, Beáta: Die Domestizierung der feministischen Kulturtheorie als Mittel zur Aussöhnung mit der sozialistischen Vergangenheit, in: Alber-Armenat, Ina/Kraft, Claudia (Hg.): Geschlecht und Wissen(schaft) in Ostmitteleuropa. Marburg: Verlag Herder Institut 2017, S. 49-68.
- Bestgen, Ulrike (Hg.): Gabriele Stötzer – Schwingungskurve leben. Ausstellungskatalog Schillermuseum, Weimar 9. November 2013 – 05. Januar 2014, Weimar: Klassikstiftung 2013.
Name des/der Lehrenden / Name of Teacher
Luise Thieme
Veranstaltungsart und -methodik / Teaching and working methods
Seminar
Verwendbarkeit / Applicability
Kunstgeschichte (Diplom); Kunstgeschichte I oder II (Lehramt); MA Kunstwissenschaften: Modul 2 (Theorien und Diskurse)
Lernziele, Qualifikationsziele / Objectives, Learning Outcome
-
Erarbeitung theoretischer und diskursiver Zugänge zu historischem Wissen
-
Reflexion eines kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Diskursfeldes
-
Verständnis für disziplinäre und transdisziplinäre Theorien
-
Entwicklung eigener Forschungsansätze auf der Basis der Vernetzung, Reflexion und Pointierung des Themenspektrums
Beurteilung / Assessment
Teilnahme (T), Hausarbeit (H)
Zugangsvoraussetzung / Prerequisites
keine
Umfang in SWS / Semester periods per week
2