Schwerpunktprojekt Schrift und Typografie, Sommersemester 2018, Prof. Andrea Tinnes, Pawel Wolowitsch

Emigre zählt zu den ersten »Independent« Schriftverlagen, die ab 1984 im Eigenvertrieb neue unkonventionelle Schriften publizierten und einen alternativen Gegenentwurf zu den traditionellen großen Schriftherstellern boten. Das gleichnamige Magazin prägte als diskursives »Type Specimen« maßgeblich den Design Diskurs in den 90er Jahren durch die Verknüpfung von kritischen Texten über Schriftkultur und visuelle Gestaltung mit der Präsentation neu gestalteter Schriften und »Cutting Edge Typography«.
Ausgehend von einer retrospektiven Betrachtung des Prinzips »Emigre« setzen wir uns in diesem Seminar mit dem großen Themenkomplex »Self-Publishing« und »Fanzine« in Bezug auf Schriftkultur und typografische Gestaltung auseinander:
Wir blicken zunächst auf die unterschiedlichen Praktiken des Veröffentlichens, Verlegens und Vermarktens von Schriften und Drucksachen. Einen weiteren Fokus setzen wir auf Fanzines und das »Do It Yourself« Gestalten und Publizieren für Nischenthemen und Gegenkulturen. Im Sinne unseres Titels »Publizieren von, mit, über Schrift« nehmen wir uns vor, gemeinsam ein »Fan-Magazin« für Schriftkultur, also eine Art »Fontzine« zu entwickeln. Daran anknüpfend untersuchen wir die Möglichkeiten der Entwicklung einer eigenen Online-Platform für die Veröffentlichung von Schriften, die im Schwerpunktprojekt entstehen oder bereits entstanden sind. Darüber hinaus beschäftigen wir uns mit historischen sowie zeitgenössischen Type Specimens als eigenständiges Format der Schriftpublikation. Anvisiert ist eine Specimen Ausstellung in Kooperation mit Matthias Görlich. Und schlussendlich gestalten wir natürlich auch Schriften, die sich im Spannungsfeld von persönlichen Themen und kollektivem Arbeiten bewegen können, und die in unserer »Fontzine« ihre Anwendung finden oder mit dem eigenen Projekt die Öffentlichkeit suchen. Aus dem gesamten Themenkomplex können unterschiedliche Teilprojekte entwickelt werden, einzeln oder gemeinsam im Team. Ziel ist es, den Seminarraum in eine Schriftwerkstatt zu verwandeln, in der wir gemeinsam an und mit Schrift arbeiten, die Möglichkeiten des Publizieren untersuchen und diskutieren, (Gegen-)Entwürfe des Verbreitens entwickeln und unsere Positionen in Form von Schriften, Texten und analogen oder digitalen Formaten veröffentlichen.

In der Auseinandersetzung mit unserem Thema stellen sich viele unterschiedliche Fragen, u.a.:

  • Mit welcher Motivation suche ich als Gestalter*in die Öffentlichkeit und veröffentliche die eigene Arbeit?
  • Wie positioniere ich mich als Gestalter*In?
  • Welche Formen der Selbstdarstellung, Selbstverwertung und Selbstwertschöpfung existieren?
  • Welchen Stellenwert haben Netzwerke sowie kooperative und partizipative Arbeitsweisen?
  • Welche Strategien der Öffentlichkeitsarbeit verfolgen einzelne Type Foundries?
  • Was zeichnet die großen der Branche aus und welche Wege sind einzelne Independent Schriftverlage und Foundries gegangen?
  • Welche rechtlichen Hürden und Gefahren bergen Copyright, Verwertungs- und Lizenzrechte?
  • Mit welchen inhaltlichen schriftspezifischen Themen, Diskursen und Fragestellungen beschäftigen wir uns, um einen Gegenentwurf zum rein visuelle Publizieren über Social Media Kanäle anzubieten?
  • Welche spekulativen Konzepte der Verwertung und Veröffentlichung bzw. welche Zukunftsvisionen können wir in Bezug auf unser Thema entwickeln?


Das Seminar umfasst einen Intro-Workshop in der Einführungswoche, einen Glyphs-Workshop, eine Zwischenpräsentation mit Anja Kaiser, Vorträge von externen Gästen und eine Exkursion nach Berlin sowie den Besuch der Pangramme Ausstellung im Museum für Druckkunst Leipzig.