Vertretungsprofessor Dr. Pablo Abend
Designtheorie
Aufbau- (BA) und Vertiefungsmodul (MA)
Kompaktwochenangebot | 9. SW
Die Einschreibung erfolgt online über die Kompaktwochenanmeldung in den gestalterischen und künstlerischen Grundlagen!
„Off the Grid“ bezeichnet ein Leben nach der freiwilligen und bewussten Abkopplung von Infrastrukturnetzen (engl. grids); ein autarker Lebensstil mit eigener Strom-, Wasser- und Gasversorgung. „Off the grid“ kann als eine Form des (freiwilligen) Verzichts auf die Annehmlichkeiten der industrialisierten und kapitalistischen Welt verstanden werden, um ein entschleunigtes und vermeintlich erfüllteres Leben zu führen. „Off the grid“ kann auch bedeuten, sich unsichtbar zu machen, indem man die sozialen und technologischen Strukturen, die normalerweise unser Leben organisieren, zurückweist. Dabei verweist das „Grid“ auch auf die technologische Grundlage der digitalen Plattformen, Dienste und Anwendungen, die wir täglich nutzen. Durch Raster und Koordinatensysteme können all die "Datendämpfe" ökonomisch verwertet werden, die während des Streamings von Filmen und Musik, der Teilnahme an Videokonferenzen, bei Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder bei Verabredungen anfallen. In diesem Zusammenhang bedeutet „Off the Grid“ auch ein Widerstand gegen neue Formen der Überwachung – Taktiken gegen Gesichtserkennung, Technologien der Anonymisierung, VPN-Clients und andere Tricks und Techniken, um die eigenen Aktivitäten zu verbergen, zu löschen oder zu verschleiern. Bis hin zur bewussten Entsagung: Digital Detox.
Das Raster, aus dem man verschwindet, wird oft als ein Netz beschrieben, das Sicherheit, kulturelle Konnektivität, Arbeitsmöglichkeiten und gesellschaftliche Teilhabe bietet, aber zugleich individuelle, politische oder technologische Handlungsmöglichkeiten einschränkt. Jenseits der vertrauten Infrastrukturen betritt man Neuland: „uncharted territory“. Das setzt natürlich voraus, dass es überhaupt ein Grid gibt, mit dem man sich jederzeit freiwillig verbinden kann. Aber ein Großteil der Menschheit hat überhaupt keinen Zugang zu Infrastrukturen. Andere sehen dagegen gar keine Möglichkeit mehr, sich vom Grid abzukoppeln. Eine Folge davon ist, dass sich das Verhältnis zwischen privater und öffentlicher Sphäre verändert und neue Fragen der Governance, Ausbeutung und Marginalisierung auftauchen. Es ist von entscheidender Bedeutung, wer online ist. Wer offline ist, könnte genauso gut gar nicht existieren.
Was bedeutet es heute, vom Radar zu verschwinden, wo doch alles, was mit Arbeit- und Unterhaltung zu tun hat, auf das Netz angewiesen ist? Wie sieht es in Zeiten des social distancings aus, offline zu gehen? Ist das überhaupt noch möglich? Im Seminar wollen wir uns theoretisch und praktisch mit den Potentialen und Risiken einer „Entnetzung“ (Zurstiege 2019) auseinandersetzen und Strategien und Taktiken für ein Leben „Off the Grid“ entwickeln.