Aktuell sind so viele Menschen auf der Flucht und Migration wie noch nie zuvor. Zeitgleich entstehen neue Formen von Grenzpolitik und Überwachungs-Strategien. Die Europäische Union ist zugleich Ort der Hoffnung und Zuflucht als auch Festung und restriktiver Akteur. Wie gehen wir mit dem Widerspruch eines offenen und auf universellen Menschenrechten basieredenden Selbstverständnis und dem zeitgleichen Ausbau von Abschottungs- und Polizeimaßnahmen um?
Die Studiengruppe Informationsdesign setzt sich in den kommenden beiden Semestern mit aktuellen Migrationsbewegungen, deren Ursachen und Folgen und der Beziehung dieser zum juristischen Ansatz universeller Menschenrechte auseinander.
Wie migrieren Menschen aktuell? Welche Wege nehmen sie? Welche Rolle spielen Medien, Kommunikationskanäle, Karten und Bilder? Welche Versprechen treiben migrierende Menschen an? Welche politischen und gesellschaftlichen Subsysteme entwicklen sich aufbauend auf den aktuellen Migrationsbewegungen? Wie kann Kommunikationdesign genutzt werden um spezifische Formen der Migration sichtbar zu machen? Und welche Rolle spielt die nicht-Sichtbarkeit von Migrationsbewegungen? Wie können im Feld der Migration aktive NGOs, zum Beispiel bei der Seenotrettung im Mittelmeer oder in Erstaufnahmelagern, aber auch lokale Akteure im nahen Umfeld, mittels Kommunikationsdesign unterstützt werden? Welche gesamtgesellschaftlichen Diskurse kann Kommunikationsdesign mitentwickeln um Missstände sichtbar und diskutierfähig zu machen?
Zu einer weiterführenden theoretischen Einbettung soll die Konzeption der Menschenrechte mit dem Thema Migration in Bezug gesetzt werden. Ist zum Beispiel Seenotrettung eine Form der aktiven Ausübung der UN Menschenrechtscharta? In welcher Form und auf welcher Basis werden Verstöße gegen die Menschenrechte wie beispielsweise aktuell laufende Push-Back Aktivitäten europäischer Akteure rechtlich untersucht? Auch hier: Wie kann Kommunikationsdesign laufende reale Themenfelder unterstützen und eigene Beiträge formulieren und thematisieren?
Im Austausch mit dem Netzwerk “Building the Future”, initiiert durch das Kollektiv PEROU/Paris arbeiten wir gemeinsam mit anderen internationalen Hochschulen an der Frage: Können die universellen Menschenrechte als immaterielles Weltkulturerbe verstanden und anerkannt werden?
PEROU schreibt:
“We declare that the gestures of the lifeguards as well as all the gestures of hospitality, care, benevolence, friendship, joy that are deployed on the path of migrants, are of a priceless beauty and significance. This is why we are conducting a request to UNESCO aiming to inscribe them on the Intangible Cultural Heritage of Humanity.”
Die Annäherung an das Thema wird auf bereits bestehende Kooperation mit Sea-Watch e.V. / Berlin, Crosslocation/Helsinki, Forensic Oceanography/London, Territorial Agency/London, Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung PICC/ Potsdam und weiteren zurückgreifen. Es ist aber auch denkbar individuelle und neue Allianzen zu suchen.
Arbeitsweise
• konkrete Aufgaben- und Fragestellungen werden von den Studierenden entwickelt
• In der Auftaktwoche wie auch in regelmäßigen gemeinsamen Austausch- und Inputformaten diskutieren wird in großer Runde Beobachtungen, Ideen, Mißverständnisse und Projektansätze
• Wir arbeiten wieder in Gruppen, weil uns nicht nur der Austausch, sondern das produktive gemeinsame entwickeln entlang der gemeinsamen Fragestellung interessiert.
• Im Rahmen von Workshopformaten setzen wir uns mit der Produktion von Bildern auf der Basis von Daten (Datenvisualisierung, Storytelling, GIS) und deren Relevanz (Data-Activism, Countermapping, Participatory Mapping) auseinander
• Wir sind dabei explizit medial nicht eingeschränkt sondern agieren nach inhaltlichem Bedarf. Räumliche Interventionen, Ausstellungen sind dabei ebenso möglich wie Grafik, Film und digitale Ansätze.
Voraussetzungen
Bereitschaft für eine ernsthafte, kontinuierliche und intensive Auseinandersetzung mit den Themen und mit unseren Gesprächspartnern wird vorausgesetzt. Im Laufe des Semesters setzen wir uns auch mit der eigenen Arbeitsmethodik und den Arbeitswerkzeugen auseinander und entwickeln unsere eigenen Tools. Das Projekt richtet sich an Studierende aus dem Hauptstudium im Kommunikationsdesign, steht aber nach Rücksprache auch offen für interessierte Studierende anderer Studiengänge.
Wichtig:
Teilnehmende Studierende sind nicht verpflichtet an beiden Semestern teilzunehmen. Sie können aber auf die eigenen Erfahrungen aus dem Vorsemester aufbauen und ihre Entwürfe mit Partnern aus realpolitischen Kontexten abgleichen, weiterentwickeln, überprüfen und einsetzen.
Dem allen liegt ein Verständnis von Design als interdisziplinäre Tätigkeit zugrunde, die ihren eigenen Beitrag aus der engen Auseinandersetzung und der Zusammenarbeit mit Anderen entwickelt und Kommunikationsdesign als Praxis versteht, die nicht im Beschreiben verhaftet bleibt sondern sich positioniert, vorschlägt, entwirft und produktiv beiträgt.
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