Ulf Wuggenig
Donnerstag, 28. Februar 2019, 18 Uhr
Raum 102, Villa, Campus Design, Neuwerk 7

Der Sammelband »Kritik der Kreativität« (Wien 2007/2016, Neuauflage mit neuem Vorwort) gilt mittlerweile als Klassiker. Ulf Wuggenigs Einführung zum Kreativitätsbegriff führt von der Demokratisierung der Vorstellung einer genialen Schöpfung in den 1950er/60er über die Kopplung der Begriffe Kreativität und Innovation („creative industries“) bis hin zu einem universellen Regime der Kreativität und Selbstverwirklichung im "kognitiven Kapitalismus“ seit den 1990er Jahren. Der Vortrag wirft einen kritischen Blick auf die damit verbundene Rhetorik.

Rhetoriken der Kreativität

„Kreativität“ als Wort verbreitete sich als Wort im deutschsprachigen Raum erst nach dem zweiten Weltkrieg über Import und Übersetzung von „creativity“ aus den USA, wo der „creativity movement“-Psychologe Joy P. Guilford das „creativity movement“ angestoßen hatte. Diese Bewegung war von Anfang an heterogen. Psychometriker wie Guilford wurden von Vertreter*innen der humanistischen Psychologie (z.B. Rogers, Barron) wie auch der Psychoanalyse (z. B. Winnicot) flankiert. In Europa wurde die Idee, dass es der Gesellschaft an Kreativität mangle von den antisystemischen Bewegungen, die sich in den 1960er Jahren formierten aufgegriffen, auch von Vertreter*innen der Künstlerkritik wie Raoul Vaneigem oder Joseph Beuys. Dies nährte später die Vorstellung einer nicht zuletzt auf Impulse aus künstlerischen Feldern gestützten Herausbildung eines „neuen Geistes des Kapitalismus“ (Ch. Boltanski/ E. Chiapello) bzw. eines „ästhetischen Kapitalismus“ (A. Reckwitz).

Der Vortrag widmet sich darüber hinaus den Impulsen des Hypes der Kreativität, die von den in den 1990er Jahren erstarkten sozialdemokratischen Spielarten des Neoliberalismus eingingen. Stärker noch wurde Kreativität nun primär unter instrumentalen Gesichtspunkten betrachtet, als Investition bzw. Bedingung für Innovation und Wirtschaftswachstum auch in kulturellen Feldern. Der Import von Ideen und Konzepten aus dem angelsächsischen in den deutschsprachigen Raum war dabei mit durchaus bemerkenswerter Diversität ihrer Aneignung in Deutschland, Österreich und der Schweiz verbunden.

Ulf Wuggenig ist Kulturwissenschaftler und Professor für Kunstsoziologie an der Leuphana Universität Lüneburg sowie gemeinsam mit Susanne Leeb Leiter des Kunstraums dieser Hochschule, den er 1993 zusammen mit Beatrice von Bismarck und Diethelm Stoller gründete. Er ist Mitglied des DFG-Graduiertenkollegs »Kulturen der Kritik« und leitet das Teilprojekt »Performing Anonymity« im Förderprogramm „Schlüsselthemen für Wissenschaft und Gesellschaft“ der VolkswagenStiftung. Zuletzt erschienen u.a.: »Art in the Periphery of the Center« (Berlin 2015, hrsg. mit Christoph Behnke et al.), »Das Kunstfeld« (Zürich 2012, hrsg. mit Heike Munder), »Critique of Creativity« (London 2016, hrsg. mit Gerald Raunig und Gene Ray) und »Die Rolle der Wissenschaft und Gesellschaft im Wandel« (Hamburg 2018, hrsg. mit Anna Henkel et al.)

Zur Person: https://www.leuphana.de/universitaet/personen/ulf-wuggenig.html

»Kritik der Kreativität« als kostenloses eBook+PDF: https://transversal.at/books/kritikderkreativitaet

Der Vortrag ist für alle Interessierten offen.