Initiatorin: Marie Siewert
Exkursion nach Haslach vom 09. September bis 15. September
Teilnehmende aus den Studiengängen: Textile Künste, Bild Raum Objekt Glas, Zeitbasierte Künste, Bildhauerei Metall
Montag, 9. September
Tatsächlich reisen alle Exkursionsteilnehmerinnen umweltbewusst mit dem Zug an. Ein Sechstel bezieht schon morgens das gemeinsame Apartment, Nachtzug sei Dank. Die anderen Studierenden erreichen in kleinen Gruppen im Laufe des Tages die Lagunenstadt. Am frühen Abend wird bei gemeinsamer Vesper der Plan für die nächsten Tage besprochen. Da die Überwältigung groß ist, tendiert die Stimmung zu einem ruhigen Start, beispielsweise bei einer Stadtführung, um sich ersteinmal mit dem Gelände vertraut zu machen.
Dienstag, 10. September
Bei einer Stadt mit ca. 80000 Touristen pro Tag gibt es logischerweise auch ca 1000000 Stadtführungen, die Entscheidung fällt also schwer, dann aber doch und spontan beim Frühstück für eine Tour durch Dorsoduro, die zwei Stunden dauern soll und von Anna-Chiara geführt wird. So irren wir zu fünft, also mit einem Sechstel Verlust am ersten Tag, durch die noch unbekannten Gassen gen Accademia, an der die Führung starten soll. Die Führung erweist sich dann auch als Glücksgriff, obwohl sie nur ein sehr kleines Stadtgebiet abdeckt. Anna-Chiara erklärt uns die Bauweise, die Geschichte der Stadt, klärt uns auf über Touristenfallen und erzählt uns Anekdoten über Peggy Guggenheim. Im Anschluss erzählt sie dann im privaten Gespräch auch ein wenig über ihre Wohnsituation in dieser Touristenstadt. Inzwischen ist es wirklich warm geworden und zwei Stunden Laufen, Stehen, Sitzen, Hören, Fragen zeigen die ersten Ermüdungserscheinungen. Wir trinken also unseren ersten echt italienischen Kaffee („was ist ein echt italienischer Kaffee?“) und entscheiden uns mutigst, auf einer Piazza zu picknicken. Am Nachmittag besuchen wir noch drei Collateral Events in der Stadt und lernen die Umgebung um unsere Unterkunft etwas kennen.
Mittwoch, 11. September
Endlich! Der erste Biennale Tag. Erstmal aber müssen wir zu den Arsenale kommen. Da Mittwoch Regen angesagt ist, haben wir uns überlegt, ersteinmal die größtenteils überdachten Arsenale zu besuchen. Jedoch nicht nur die engen vollen Gassen um den Markusplatz, den wir glauben, passieren zu müssen, machen uns zu schaffen. Statt des versprochenen Regens nämlich, knallt die Sonne auf uns und als wir endlich am Militärhafen ankommen (hat vorher bestimmt noch niemand gesagt), hat die Hälfte der Teilnehmer desn ersten leichten Sonnenbrand. Hier können wir nun auch alle unsere 3-Tagestickets kaufen. Da wir etwa gegen 11 Uhr ankommen, haben wir Pech und schieben uns ersteinmal zusammen mit einem großen Publikum durch die ersten Hallen. So leiden unglücklicherweise die ersten Arbeiten etwas unter der Überforderung bei einem Teil unserer Reisegruppe. So zum Beispiel auch die Videoinstallation von Ed Atkins. Aber nach wenigen hundert Metern kommt der Flow. Spätestens hier hat jetzt jeder etwas gefunden, das genauerer Betrachtung wert scheint. Da jeder hier anderen Fokus legt, zerspringt die Gruppe eigentlich schon direkt zu Beginn in Einzelteile und wir verabreden uns für die Mittagspause (Picknick!). Nach der Pause geht die gigantische (trotz weniger Exponaten als in den Vor-Biennalen) kuratierte Hauptausstellung dann auch schon in die ersten Länderpavillons über. Ein recht krasser Bruch, waren die Räume vorher doch einerseits recht divers in Technik/Position und Wirkung, andererseits mit einer deutlichen Handschrift kuratiert und gebaut, erscheint nun jeder Raum, sprich Pavillon anders, auch sehr divers, jedoch nicht in sich selbst. Nur zueinander. Und das auch qualitativ. Leider merkt man schon sehr, dass das Budget der Länderpavillons unterschiedlich hoch ausfällt. Und zumeist sind es auch die Pavillons recht frisch beteiligter Länder, die (auch in Anbetracht der Räumlichkeiten) mit weniger Mitteln auskommen müssen. Das zeigt sich besonders deutlich im Vergleich zu den Giardini und den Länderpavillons, die in der Stadt eingemietet sind. Die Giardini am
Donnerstag, 12. September
beeindrucken schon bei der Ankunft. So viel Freifläche haben wir seit der Anreise am Montag nirgends in Venedig gesehen. Grün, architektonische Eindrücke, irgendwie alles etwas entrückt und unzeitgemäß, fast schon so kolonial-prächtig wirkt das Gelände. Und das trotz der so schon wirklich sehr prächtigen Stadt. In den Giardini setzen wir ersteinmal wieder bei der Hauptausstellung ein: jeder Künstler hat nämlich zwei Arbeiten beigetragen, also eine für die Arsenale und eine „Gegenüber“ für die Giardini. Und das ist tatsächlich spannend. Es eröffnen sich zu manchen Künstlern völlig neue Zugänge, teils erschließen sich Positionen vom Vortag erst jetzt. Allerdings ist es auch hier sehr voll, nicht nur die Besucher, auch die Werke stehen sich teilweise im Weg. Nach gemeinsamer Pause (PICKNICK!!! - mittlerweile haben wir herausgefunden, dass man bußgeldfrei auf Bänken essen darf) geht es wieder in kleinen Gruppen oder alleine durch die Länderpavillons. Bemerkenswert ist hier, dass es einzelne Länderpavillons gibt, die es schaffen, nicht nur die eigene Landes“identität“ zu lesen zu geben, sondern einen Schritt weitergehen und reflektieren. So gesehen im Belgischen Pavillon, der sich mit „klassischen“ naturhistorischen Völkerschauen auseinandersetzt und diese einfach auf Mitteleuropa anwendet. Das Tempo der Gruppe ist unterschiedlich und so sind an diesem Tag wenige schon fertig mit den Giardini, der Rest hat noch Sichtungsbedarf am nächsten Tag. Nach dem Abendessen steht erst noch ein Nachtspaziergang an, wir wollen zu später Stunde den Markusplatz besichtigen, er könnte ja nun schön leer sein. Ist er nicht.
Freitag, 13. September
Während fünf Leute sich nochmal den Giardini widmen, um dort noch den Rest zu sichten, bzw einzelne Besuche nochmal zu vertiefen (persönliches Gespräch und Führung im Deutschen Pavillon), wendet sich das letzte Sechstel (bevor wir am Abend endlich vollständig und zu siebt sind) schon den Collateral Events und restlichen Pavillons zu, die in der Stadt verteilt liegen. Und hier zeigt sich dann ein Extrem den Giardini gegenüber. Die Pavillons fallen doch sehr unterschiedlich in ihrer Vertretung aus. Von den 16 besichtigten Ländern am Freitag, befinden sich manche in Palazzi über mehrere Etagen, andere sind kaum auffindbar (oder auch gar nicht) in Sackgassen und oder in kleinen 13m2 Räumen (Seychellen) und erinnern oft daran, dass diese Nationen erst seit kurzem Platz (wenn auch wenig) am Tisch finden. Es fällt dementsprechend schwer, mit den festen „Größen“ in den Giardini zu vergleichen. Und das ist schon erschreckend. Oft aber auch unspannend, also die Pavillons an sich, und dann nicht mehr so erschreckend, sondern auch traurig. Als gäbe es in anderso nicht auch spannende Stimmen und Positionen. Diese Kontroverse zeigt sich zum Beispiel am Iranischen Pavillon, staatlich finanziert, wie wohl alle Pavillons, und doch gesondert zu betrachten, da im Conservatorio zeitgleich eine Ausstellung stattfindet, die auch nur von iranischen Künstlern bestritten wird. Tatsächlich erscheint diese dann auch als spannendste Ausstellung der Collateral Events, inbesondere auch im Gegensatz zum „offiziellen“ Pavillon des Irans. Abends treffen wir uns dann wieder alle zusammen, jetzt vollzählig, und tauschen uns über den Tag aus.
Samstag, 14. September
Erneut spaltet sich die Gruppe auf: fünf Siebtel bewegen sich zur Fondazione Prada, wo eine Einzelausstelluung von Janis Kounellis zu sehen ist, ein Siebtel spaziert durch Länderpavillons und das letzte Siebtel entscheidet sich für die Luc Tuymans Ausstellung im Palazzo Grassi um im Kombiticket für „Luogo e Segni“ in der von Tadao Ando umgebauten Punta della Dogana, was sich als sehr ruhige Ausstellung mit Werken von Louise Bourgeoise, Rudolf Stingl, Carol Rama und vielen anderen Künstlerinnen herausstellt. Im Anschluss treffen wir uns in der viel gepriesenen Peggy Guggenheim Collection wieder. Das ehemalige Wohnhaus der Sammlerin ist das meistbesuchte Museum Venedigs und beherbergt viele bekannte Werke der großen Künstler der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wie Max Ernst, Picasso, Duchamp und Kandinsky (Gab es damals noch keine Künstlerinnen?). Mehr als dieses Name-Dropping findet dann leider aber auch nicht statt. Die Sonderausstellung ist zur Zeit geschlossen und so bleibt wirklich nur die Sammlung, die sich in kurzer Zeit erschlossen hat, nicht besonders befriedigend. Aber das Anschlussprogramm vermag es dann doch, dafür zu entschädigen. Beim Besuch des Litauischen Pavillons wird unsere Gruppe in der Warteschlange angesprochen und eingeladen, an der Performance, die mit dem goldenen Löwen ausgezeichnet wurde, teilzunehmen. Und das an einem Tag, an dem die Performance auch noch gefilmt wird! Kurz darauf findet man sich also mitten in Venedig an einem künstlichen Strand wieder und wird angehalten, sich auch wie am Strand zu verhalten: Karten und Ball spielen, sich sonnen – und das alles in Badeklamotten, während um uns herum eine Oper gesungen wird. Mit stolzer Brust und erhobenem Haupt als Teil der Kunst der Biennale gehen wir im Anschluss als Abschluss gemeinsam Pizza essen bei Pizza 2000, während ein Siebtel krankheitesbedingt verfrüht abreist.
Sonntag, 15. September
Und nun tut das auch der Rest der Gruppe in drei Teilen, genießt noch den letzten guten Espresso und oder Select Sprizz und fährt zurück über die Alpen.
Text: Paul Meussling