graduiert ≈ präsentiert, Werke von Burg-Stipendiaten
Ausstellung in der Burg Galerie im Volkspark vom 11. Oktober bis 4. November 2012.

Neun junge KünstlerInnen und DesignerInnen konnten in der vergangenen Förderperiode durch die BURG im Rahmen des Graduiertenförderprogramms des Landes Sachsen-Anhalt für den künstlerischen und wissenschaftlichen Nachwuchs gefördert werden. Das Stipendium ermöglichte ihnen, während eines Jahres finanziell weitgehend abgesichert und in lockerer Ankoppelung an die Hochschule, d.h. mit Benutzung der Werkstätten und ähnlicher Ressourcen, einen Werkkomplex oder eine Produktlinie zu entwickeln. Dieser Freiraum nach Abschluss des Studiums bietet eine große Chance für die Entwicklung einer künstlerischen oder gestalterischen Position, um ein Konvolut an Arbeiten zu gewinnen, mit denen man sich in die kulturelle Gesellschaft einbringen kann.

Begabte Absolventen
Zudem ist das Graduiertenstipendium ein Steuerungselement für die Hochschulen, besonders begabte Absolventen zu fördern. Um sie während des Förderzeitraums zu stützen, aber auch um ihrem Arbeitsvorhaben eine Rhythmisierung und deren Entwicklung eine Stringenz zu geben, mussten die StipendiatInnen während der Förderung zwei Mal ihre Zwischenergebnisse der Graduiertenkommission vorstellen. Zudem wurden sie bei ihren Vorhaben durch Mentoren begleitet. Das war uns wichtig, um – analog zu Doktorandencolloquien – den StipendiatInnen eine Rückkoppelungsmöglichkeit zu geben und die Taktung für den von ihnen selbst strukturierten Zeitplan zu unterstützen.

Heterogenität statt Beliebigkeit
Zum Abschluss der Förderung präsentierten die StipendiatInnen ihre Ergebnisse zum Auftakt des Wintersemesters 2012/13 in einer Ausstellung in der Burg Galerie im Volkspark. Die Ausstellung zeigte die Heterogenität der verschiedenen Ansätze – aber keine Beliebigkeit. Denn es lässt sich durchaus fragen: Wozu wollen uns diese Arbeiten provozieren? Welche Reaktionen wollen sie hervorrufen, welche Gedankengänge werden durch sie angeregt?

Entscheidend, vor allem für die StipendiatInnen, ist, dass ein Graduiertenstipendium nicht nur in einem Endprodukt kulminiert, sondern vor allem auch der Erforschung neuer Ansätze Raum bieten soll. So ist dieser Aspekt der Forschung – als anwendungsorientierte Entwicklung ebenso wie im Sinne einer „artistic research“, die ergebnisoffen einem Themenkomplex oder einer Fragestellung nachgeht – grundlegend für das Vorgehen der diesjährigen StipendiatInnen. Die meisten von ihnen arbeiten transdiziplinär, d.h. sie integrieren Ansätze ganz unterschiedlicher künstlerischer, gestalterischer und naturwissenschaftlicher Disziplinen. Und der jeweils verfolgte Ausbildungsschwerpunkt an der BURG wird hinsichtlich der verwendeten Medien und Methoden überschritten.

Transdisziplinarität
So untersucht der Multi Media DesignerStefan Schwabe, wie lebende Materie so geformt werden kann, dass sie zugleich ein Produkt herstellt und ein poetisch-nachdenkliches Schöpfungsgleichnis sein kann. Der KommunikationsdesignerAndré Fuchsentwickelt mithilfe von Untersuchungen zur Aleatorik Textilien. Die BildhauerinSonja Schraderarbeitet mit einer ephemeren Bearbeitung von Papier ebenso wie mit dem bewegten Filmbild und der statischen Schwere von Eisenguss. Der KeramikerAlexander Schellbachübt mit seinen Zeichnungen eine Kritik an der Informationsvermittlung der Massenmedien.

Wahrheit von Bildern
Der DiplompädagogeGeorg Liseknimmt Identitätskonstruktionen anhand der Manipulation von Bildern medialer Produktion in den Blick. Die künstlerische Forschung befragt die Gültigkeit und Wirkmacht von Bildmodellen, von kultureller und symbolischer Kodierung und unseren naiven Glauben an die Wahrheit von Bildern. Mal ist das spaßig, mal durchaus erzieherisch gemeint. Wir werden herausgefordert, eine Haltung zu entwickeln und zu bedenken, ob wir nicht doch zu Handelnden werden wollen.

Terrainerweiterungen
Auch die anderen StipendiatInnen, die eher in ihrem Metier bleiben, haben forschend, suchend und experimentierend ihr Terrain erweitert. Die ModedesignerinHeike Beckergewinnt dem Stoff Loden neue Verarbeitungsmöglichkeiten ab. Die SchmuckkünstlerinHyoun Jung Sungentwirft Broschen, die zu Bildkörpern zusammengesetzt werden können und sich weltumspannend verbreiten sollen.Constanze Rilke, ehemals Studienrichtung Malerei/Textil, entwickelt große Zeichnungen, in denen sich kleine Bewegungsstudien zu einer abstrakten Bildlandschaft fügen. UndJohannes Krause, Absolvent des Studiengangs Zeitbasierte Künste, hat eine Archiv von Klängen erarbeitet, das ihm als Grundlage für seine „elektroakustischen Aufführungen“ dient.

Politik
Die Überzeugungskraft all dieser Arbeiten und die sich in ihnen niederschlagende Intensität der künstlerischen und gestalterischen Auseinandersetzung macht deutlich, wie wichtig ein solches Graduiertenstipendium als Instrument der Nachwuchsförderung ist. Das wäre auch für die Politik zu bedenken. Für die kommende Förderperiode wurden die Mittel bereits reduziert, so dass wir nur noch vier Stipendien vergeben konnten. Sollte das Programm ganz eingestellt werden, wäre eine entscheidende Möglichkeit vertan, Spitzenleistungen in einer der traditionsreichsten Kulturregionen Europas zu fördern und zu entwickeln.