Jahrgangsübergreifendes Entwurfsprojekt zur grafischen Erarbeitung einer Kollektion über die Auseinandersetzung mit Themen der Aneignung und der Kopie.
Flatland / Kleptoparasites
Jahrgangsübergreifendes Entwurfsprojekt zur grafischen Erarbeitung einer Kollektion über die Auseinandersetzung mit Themen der Aneignung und der Kopie.
Betreut durch Prof. Susanne Ostwald, Prof. Lars Paschke, KM Sofia Löser, Isabel Fiedler
Bekleidung ist ein Teil von Kulturen. Sie entwickelt sich durch soziale Strukturen, ökonomische Umstände, Handwerk, durch Tradition, Habitus und Austausch. Im Modedesign vermischt sich diese allgemeine Kultur des Bekleidens mit künstlerischer Autorschaft. Diese Autorschaft ist nicht losgelöst von allgemeiner Bekleidungskultur, sie kann sie beeinflussen, aber entnimmt ihr auch Zitate, Anleihen und Grundformen. Durch diese Unschärfe im Modedesign ist die Frage nach dem geistigen Eigentum besonders interessant.
Die Rechtsanwälte der Modehäuser und Fast Fashion Retailer haben einiges zu tun, denn es geht auf der einen Seite darum, die Wiedererkennbarkeit und Authentizität der Marke zu schützen und auf der anderen Seite, um die Freiheit des Modedesigns Zitate zu verwenden und von aktuellen ästhetischen Tendenzen zu profitieren. Besonders betroffen sind unabhängige, junge Labels, die sich keine Entourage von Rechtsanwälten leisten können und dennoch häufig auf den Moodboards anderer Designer*innen landen. Auf der anderen Seite sind kulturelle Gruppen und deren regionaltypische Bekleidung oft nicht durch das Urheberrecht geschützt, obwohl auch dieser Bekleidung ein kreativer Prozess vorausgegangen ist. Daran lässt sich gut beobachten, dass geistiges Eigentum in der westlichen Tradition individuelle Autorschaft voraussetzt. Onlineplattformen wie Dietprada weißen immer wieder darauf hin, wer gerade von wem kopiert hat. Die Inspirationsflüsse gehen dabei in alle Richtungen und es fällt schwer, einen Hauptverdächtigen auszumachen. Zudem profitiert die Mode als Gesamtindustrie auch von dieser Rechtsprechung, denn genau dadurch entstehen ästhetische Trends. Der Markt adaptiert eine Ästhetik bis es zur Übersättigung und dadurch einer notwendigen Erneuerung kommt.
Der Idee der Kopie liegt außerdem eine kulturelle Vorstellung des Originals zugrunde. Wann ist also etwas ein Original? Wir werden in diesem Projekt unterschiedliche kulturelle Denktraditionen am Beispiel von Byung Chul Hans Essay „Shanzai. Dekonstruktion auf Chinesisch.“ vergleichen. Wir werden zudem die Kopie als Zeichen kennenlernen, dem kein Original mehr zugrunde liegt, sondern welches nur semiotisch unsere Welt konstituiert. Und wir wollen uns die Frage stellen, wann etwas neu ist.
Im Prozess des Modedesigns folgt häufig einer Recherchephase, eine Adaption der recherchierten Bekleidung. Die Ausbeutung der Inspiration ist nicht immer unproblematisch. Frühe Beispiele kultureller Aneignung in der Mode zeigen sich bei Paul Poiret oder Yves Saint Laurent. Auch der Hybridisierung von Kleidungsstücken wie zum Beispiel durch den Einzug des Kimonoärmels in den westlichen Bekleidungskontext liegt die Aneignung vorerst zugrunde. Wir wollen darüber diskutieren, wie wir als Gestalter*innen mit unseren Privilegien umgehen und welche Rolle die Recherche, beziehungsweise die Inspiration im gestalterischen Prozess einnimmt. Aber auch wie kultureller Wissensaustausch und Innovation dadurch entstehen können. Wir wollen uns auch mit Mitteln der Ironie und des Humors in der Kopie auseinandersetzen wie zum Beispiel in den Kollektionen von Jeremy Scott oder Vetements. Hier entstehen durch Querverweise semiotische Spannungsfelder. Das Replica bei Martin Margiela wiederum erhält durch seine offenkundige Deklarierung einen intellektuellen, akademischen Anstrich. Ähnlich wie in wissenschaftlichen Diskursen wird der Bekleidung hier ein kultureller Diskurs vorangestellt und die gestalterische Arbeit als Erweiterung davon verstanden. Anders als bei den Kopien der Fast Fashion Retailer liegen den reproduzierten Kleidungsstücken häufig Vorlagen zugrunde, deren Gestalter*innen unbekannt sind.
Wie eingangs erläutert ist Abgleich und Austausch der Kultur des Bekleidens eigen und die Auseinandersetzung mit dem was angemessen ist und dem was unangemessen ist, kann diffus sein und zu ambivalenten Überlegungen führen. In diesem Projekt wollen wir Prozesse der Aneignung und des Kopierens in gestalterischen Übungen untersuchen. Dabei werden Projektteilnehmer*innen eine Kollektion auf Grundlage verschiedener Vorlagen entwickeln und sich durch Imitation und Kopie dem Thema praktisch nähern. Durch diese Erfahrungen und die theoretische Auseinandersetzung sollen persönliche Positionen in Bezug auf das Thema der Aneignung und des Kopierens entwickelt werden und eine Kollektion von mehreren Outfits, mit einem Fokus auf Digitalprintentwicklung entstehen. Die Kollektion soll aufgrund der aktuellen Ausgangsbeschränkungen und der damit eingeschränkten Mobilität vorrangig grafisch entwickelt werden und in einem überzeugenden Projektportfolio, samt Moodboards, Illustrationen, technischen Zeichnungen und Farbkarten präsentiert werden.