Schwerpunktprojekt Schrift und Typografie, Sommersemester 2017, Prof. Andrea Tinnes, Anja Kaiser M.A.
Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt.
Ludwig Wittgenstein
Eine unüberwindbare Grenze ist ein Widerspruch in sich. Die Überschreitung ist der Grenze gewissermaßen eingeschrieben.
Markus Schroer
Kontext
Die Grenze ist eine kulturelle, politische und ästhetische Kategorie. Grenzen im Sinne von Normen regeln und strukturieren das gesellschaftliche Miteinander während gleichermaßen durch Grenzübertretungen diese Normen ständig hinterfragt und neu verhandelt werden. Gerade in Kunst, Design und Theorie gilt seit jeher das Überschreiten und Aufheben von Grenzen als selbstverständliches Prinzip des Denkens und Handelns, um den Status Quo zu überwinden und Innovationen voranzutreiben (»Progress through Transgress«).
»Und so banal es Grenzen des guten Geschmacks gibt, so grundsätzlich hilft die Grenze als kognitive Kategorie (Differenz), etwas in seiner Eigenart und in Unterschied zu etwas anderem zu erkennen und zu bezeichnen.«1
Der Begriff der Grenze ist zur Zeit natürlich allgegenwärtig; er bestimmt den politischen Diskurs von den täglichen Nachrichten bis hin zu Stammtischgesprächen und fremdenfeindlicher Hetze in den sozialen Medien. Dabei wird Grenze oft allein auf den territorialen Aspekt reduziert, als Trennungslinie, die ein Innen und ein Außen definiert und über ihre Durchlässigkeit oder Geschlossenheit über Inklusion oder Exklusion entscheidet. Aber Grenzen markieren eben mehr als nur Territorien und Staaten, denn im Gegensatz zum englischen Begriff »Border« umfasst der deutsche Begriff »Grenze« viele Bedeutungen: von der Begrenzung und der Trennungslinie über die Differenz und Abgrenzung, dem Umriss und den Rändern bis hin zum Limit und dem Endpunkt. »Solche Ambivalenzen sind charakteristisch für das semantische Profil der Grenze, wobei eine ihrer wichtigsten Differenzen darin besteht, dass sie sowohl als scharfer Einschnitt gedacht werden kann als auch als ein dehnbarer Ort der Überschreitungen.«2
In unserem Schwerpunktprojekt setzen wir uns mit diesem großen Themenkomplex der Grenzziehungen, Grenzmarkierungen, Abgrenzungen sowie Grenzbereiche, Grenzgänge und Grenzüberschreitungen auseinander – gesellschaftspolitisch, typografisch und schriftgestalterisch.
Stichworte Gesellschaftspolitik
aktuelle Tagespolitik — territoriale Markierungen und Geostrategien — Migration, Integration und Ausschluss — Transit- und Grauzonen — Schmuggel und illegale Praktiken — Drogen und Rausch —Verhaltensnormen und Erziehung — Vorschriften und Regeln — Überwachung und Kontrolle — Sprachgrenzen — Geschlechteridentität — Körper und Umwelt —grenzenloses World Wide Web — Kunst und Wirklichkeit — Räume, Orte und Städte — Reisen und Abenteuer — etc.
Stichworte Schrift und Typografie
typografische Ausschweifungen und Grenzgänge — Cutting Edge Typography — Grenzen der Lesbarkeit — Grenzen des Alphabets — Kontur, Outline und Linie — Zeichen und Auflösung —Formbeziehungen Innen und Außen — Stencil und Schablonen — Hybride Fonts —Variable Fonts —ästhetische Grenzbereiche und Grenzen des guten Geschmacks —Grenzübertretungen und Regelbruch als Gestaltungsmethode — Grenzen der Werkzeuge, des Materials, der Software und der Maschinen — Survival Guides für Grenzüberschreitungen —Erscheinungsbilder für fiktive Staaten — Karten und Mapping — Rahmen und Borders — etc.
1 Text+Bild, Gren | ze, die; -, n eine nur gedachte Trennungslinie, Editorial
2 Christoph Kleinschmidt: http://www.bpb.de/apuz/176297/semantik-der-grenze?p=all
Teilnehmende Studierende
Mila Albrecht
Marlen Kaufmann
Lilli Kirchmann
Jihee Lee
Eugenia Lopez
Claudia Nielsen
Hauke Odendahl
So Jin Park
Marie Schuster
Franz-Paul Senftleben
Joseph Thanhaeuser
Katharina Tuerk
Marcus Wachter
Lena Windisch
Arne Winter
Gäste, Vorträge
Pierre Pané-Farré, Janna Ullrich, Katharina Köhler, Pawel Wolowitsch, etc.
Exkursionen
19. bis 21. Mai 2017, Biennial of graphic design of Chaumont 2017
Juni 2017 Dokumenta14
Leipzig Druckkunstmuseum