Bist du schon da? Hörst Du mich? Siehst Du mich? …
Dies waren wahrscheinlich die am häufigsten gesprochenen und gehörten Sätze in diesem alles andere als gewöhnlichem Sommersemester 2020 an der BURG. Allein an diesen einfachen Fragen ist zu erkennen, dass wesentliche Aspekte der Lehre an einer Kunsthochschule fehlen, wenn Kommunikation ausschließlich über mediale Vermittlung und digitale Kanäle stattfindet. Das Ästhetische ist ein multisensuelles Erlebnis. Im virtuellen Raum bleiben haptische, gustatorische und olfaktorische Erfahrungen doch auf der digitalen Strecke.
Vor allem die eingeschränkte persönliche Interaktion der Studierenden untereinander und mit den Lehrenden hat Lücken in der Lehre an unserer Kunsthochschule hinterlassen. Die experimentelle Auseinandersetzung mit Idee und Entwurf durch das manuelle tätig sein in Ateliers, Werkstätten und Laboren ist ein wesentlicher Teil des Erkenntnisprozesses in Kunst und Design und kann digital nicht oder nur sehr begrenzt ersetzt werden. Aber auch die Begegnungen auf dem Campus, in der Mensa, im Studierendencafé „Konsum“, bei Ausstellungen, dem Jour Fixe, auf den Gängen, in den Ateliers, den Arbeitsräumen oder der Bibliothek eröffnen sonst Diskurse und Erfahrungsaustausch, die unverzichtbar sind im Leben und Arbeiten an einer Kunsthochschule.
Corona hat uns in diesem Semester vor besondere Herausforderungen gestellt. So lebte unsere Eignungsprüfung bisher von der Präsenz der Bewerber*innen. Innerhalb von nur wenigen Wochen waren wir gefordert, auf ein überwiegend kontaktloses Format umzustellen, ohne dabei den Kern dessen, was dieser besondere Aufnahmeprozess für uns, aber auch die zahlreichen Bewerber*innen bedeutet, aus den Augen zu verlieren. Wir haben Grund zur Freude, denn dies ist uns, wenn man die Anzahl und die Qualität der Bewerbungen als Maßstab nimmt, doch außerordentlich gut gelungen.
Auch die gesamte Lehre, die mit Vorlaufzeiten von mehreren Monaten geplant wird, musste innerhalb kürzester Zeit, unter sich wöchentlich ändernden Bedingungen in kontaktreduzierte, digitale Formate überführt werden. Auch dies ist uns hoffentlich so gut gelungen, dass für die Studierenden nicht das Gefühl entstand, ein Semester verloren zu haben. Die Rückmeldungen der Studierenden bestätigen uns das. Was nun in diesem Semester trotz oder gerade wegen dieser so in jeder Hinsicht außergewöhnlichen Situation an Arbeiten, Projekten, Werken entstanden ist, soll nun mit dieser Plattform in einer für uns neuen Form erfahrbar gemacht werden.
Unter normalen Umständen ist es die Jahresausstellung an der BURG, bei der die Studienarbeiten der Öffentlichkeit präsentiert werden. Aber eine Veranstaltung mit über 10.000 Besucher*innen ist unter den aktuellen Bedingungen nicht durchführbar. Was tun? Es brauchte ein neues Format, um einerseits Arbeiten aus den noch „normalen“ Zeiten des Wintersemesters 2019/20, aber auch die des überwiegend digitalen Sommersemesters 2020 zeigen zu können. Vom 17. Juli 2020 an werden Ihnen nun den gesamten Sommer über aktuelle Arbeiten und Projekte aus der BURG auf dieser Plattform vorgestellt.
Einige Arbeiten lassen sich unter den gelockerten Bedingungen auch wieder vor Ort zeigen. So zum Beispiel die aktuellen Diplomarbeiten der Kunst, darunter der/die Preisträger*in und Anerkennungen des Kunstpreises der Stiftung der Saalesparkasse in der Burg Galerie im Volkspark, der Kunststiftung des Landes-Sachsen Anhalt und dem Literaturhaus. Eine Projektion auf das Hermes-Gebäude, ein Standort des Fachbereichs Kunst, macht die Außenhaut zur Ausstellungsfläche. Der BurgFunk ist ein Radioformat im Internet, das die Dialoge und Begegnungen zwischen Künstler*innen, Gestalter*innen und dem Publikum in einem 48-Stunden-Stream vom 17. Juli bis 19. Juli ermöglichen soll, die sonst im persönlichen Austausch auf der Jahresausstellung stattfinden.
Corona wird uns weiterhin beschäftigen und herausfordern. Aber eines ist klar: Ein überwiegend digitales Wintersemester 20/21 kann und wird es an unserer Kunsthochschule nicht erneut geben. Digitale Lehre ist kein vollwertiger Ersatz für die Lehre in der künstlerischen und gestalterischen Bildung, die neben der Vermittlung von praktischen Fähigkeiten, der Kombination von Hand- und Kopfarbeit auch eine soziale Aktivität ist. Aber auch ein angemessener Empfang der Erstsemester an der BURG unter diesen besonderen Bedingungen und die Sorge um unsere internationalen Studierenden sind weitere Themen, die alle Kunsthochschulen in den kommenden Monaten beschäftigen werden.
Im nächsten Semester werden wir wieder mehr Präsenzbetrieb unter Einhaltung der Hygienerichtlinien ermöglichen. Ziel ist ein hybrides Wintersemester mit so viel Vor-Ort-Anwesenheit, wie es im Rahmen eines verantwortungsvollen Gesundheitsschutzes und innerhalb der Möglichkeiten der BURG umsetzbar ist. Hierfür werden wir uns auch auf das Verantwortungsbewusstsein und das eigenverantwortliche Handeln bei allen Angehörigen der Hochschule verlassen müssen, damit der Lehrbetrieb in Präsenz nicht durch eine zweite Welle wieder eingeschränkt werden muss.
Wir haben nun über Monate, mit hinter Masken verborgen Gesichtern, die meisten im Homeoffice, an digitalen Nabelschnüren hängend dieses Semester begonnen. Einige Dinge werden uns trotzdem erhalten bleiben, so die Mund-Nase Bedeckung an manchen Orten, Kontaktformulare, Abstandsregeln, Hygienevorschriften. Aber es wird wieder mehr Kunsthochschule möglich sein, denn das ist es, was die BURG ausmacht.
Ich danke mit großem Respekt allen Angehörigen der Hochschule, die in diesem besonderen Semester den komplexen Herausforderungen mit großem persönlichem Einsatz begegnet sind und diese Zeit für unsere Studierenden zu einem spannenden Experiment mit noch offenem Ausgang gemacht haben.
Ich wünsche allen Besucher*innen der diesjährigen Jahresausstellung, virtuell oder real vor Ort, nicht nur viel Vergnügen und ein wenig Ablenkung in dieser besonderen Zeit, sondern vor allem spannende Einblicke, wie die Künstler*innen und Gestalter*innen der BURG mit dieser Ausnahmesituation umgegangen sind. Ich hoffe, „Sie sind dabei, hören und sehen uns“ und machen eine ganz neue Erfahrung mit der BURG!
Prof. Dieter Hofmann
Rektor der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle