Eine Projektarbeit des Kurses:
Unboxing Campinggeschirr — Die Präsentation eines ausgewählten Objekts
aus der Sammlung der BURG

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Kursbeschreibung,
Unboxing Campinggeschirr

 

In der umfangreichen Sammlung der Burg Giebichenstein gibt es ein Campinggeschirr aus Meladur. Es ist cremegelb, leicht zerkratzt, unvollständig – auf den ersten Blick wirklich nichts besonderes. Und doch steht es paradigmatisch für ein Stück Alltagskultur der DDR. Wir möchten dieses unscheinbare Objekt zum zentralen Akteur einer exemplarischen Objektbiographie machen. Welche Kontexte lassen sich vom Objekt ausgehend rekonstruieren? Welche Geschichten lassen sich erzählen? In welchen größeren (industrie-)geschichtlichen Zusammenhang lässt sich dieses Ding aus Meladur einbetten?

 

 

Projektbeschreibung,
Plaste — Die Verheißung einer sozialistischen, hochtechnologisierten Zukunft

 

Bislang waren die Objekte wie das Campinggeschirr nur selten außerhalb der Sammlungsräume zu sehen und diese sind für die Öffentlichkeit nur eingeschränkt zugänglich. Um dies zu ändern, möchten wir im Rahmen des Seminars Vermittlungsformate produzieren, um so ein Objekt wie dieses einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Wie lässt sich das auf unserem Campus und im Netz realisieren? Ein Unboxing? Ein Podcast? Eine Intervention auf dem Campus?

So entstehen innerhalb der Projektgruppe unterschiedliche Formate. Das Nachgehen von Spuren und historischen Zusammenhängen des Campinggeschirr-Sets entwickelt Texte und Audiospuren, die plötzlich interessiert aufschauen, als sie sich inmitten gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und vom Aufschwung getriebener Verwebungen mit dem Material Plaste wiederfinden. Eine Plakatserie mit Ausstellungskonzept des Campinggeschirr zeigt sich dann zur Jahrsausstellung der BURG. Später führt ein Interview mit der Restauratorin Helena Ernst in die Gegenwart und fragt nach dem Umgang mit den, nun erstmals alternden Kunststofferzeugnissen einer Alltagskultur.

 

 

Interview, Intro
Helena Ernst (Restauratorin)/ Mathis Burmeister

 

An einem hochsommerlichen Maitag treffe ich Helena Ernst in München. Als Restauratorin und inzwischen nun Doktorandin arbeitet sie am Museum Die Neue Sammlung. Wir setzen uns an einen etwas abgelegenen Platz im schattigen Außenbereich des Museumscafé. In der Nähe finden Besucher*innen auf leichten Metallstühlen die Möglichkeit für eine Pause und befüllen die Umgebung mit leisem Gelächter, erzählenden Stimmen und knirschenden Schritten über den Kiesboden. Gehalten von der beruhigenden Atmosphäre beginnen wir das Gespräch. Helena spricht sehr bedacht, hält immer wieder für einen kurzen Moment inne und sortiert gewissenhaft ihre Gedanken, die sie dann feinsinnig formuliert. Die angenehme Leichtigkeit der Begegnung öffnet einen Raum, um zuzuhören, nachzudenken, Fragen zu stellen und Überlegungen aufeinander zu stapeln.

Helena Ernst war Dozentin im Seminar, „Unboxing Campinggeschirr“ an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle. Als die Begeisterung über die Spurensuche am Archivobjekt Campinggeschirr auch im folgenden Semester anhält, treffe ich Helena wieder. Dann in München zu einem Interview.

 

 

Interview, Ausschnitte
Das gesamte Gespräch steht in der Rubrik Downloads als Einsicht und Download zur Verfügung.

Mathis Burmeister:

Noch eine Frage zu Deinem Arbeitsumfeld als Restauratorin.
Angenommen, in Gedanken gehst Du zu einem Deiner Arbeitsplätze und betrachtest ihn für einen Moment. Was ist dort zu sehen, wie beschreibst Du ihn?

 

Helena Ernst:

Da denke ich gleich an meinen Materialwagen. Meistens parkt er neben dem Restaurierungstisch, auf dem sich nichts außer dem Objekt befindet. Ähnlich wie mein Notizbuch, das überall mit hinwandert, ist auch der Materialwagen immer dabei und auf Rollen schön beweglich. Er hat einige Fächer für Werkzeuge und Materialien. Da fällt mir zuerst das Mikroskop und eine Lupe ein, im Moment sogar in verschiedenen Ausführungen, dann die Taschenlampe und eine zusätzliche Lichtquelle mit UV-Licht, Handschuhe für den gegenseitigen Schutz von Haut und Material und ein weicher Ziegenhaar-Pinsel sowie ein Tuch für erste, leichte Reinigungsarbeiten am Objekt. Literatur und Computer lasse ich lieber auf meinem Schreibtisch.

 

Bevor wir über das Restaurieren an einem konkreten Beispiel sprechen wollen, noch etwas Allgemeines. Was meinst Du, wann ist es angebracht, eine Restaurierung durchzuführen?

 

Das kommt ganz auf den Zusammenhang an. Vielleicht beginne ich so: Es gibt die präventive Konservierung, die Konservierung und die Restaurierung. Die Konservierung bemüht sich den aktuellen Zustand des Objekts zu erhalten, oder zumindest den Alterungsprozess zu verlangsamen. Ihn zu stoppen klappt nicht. Die Restaurierung bezeichnet etwas Hinzugefügtes, das über das Objekt hinausgeht und total kontextabhängig ist. Als kleines Beispiel nehmen wir Die Neue Sammlung. Hier haben wir einen starken Designfokus und so stellt sich für die Restaurierung die Lesbarkeit des Designs in den Mittelpunkt. Fehlstellen an der Oberfläche eines Objektes möchten wir gerne schließen, damit das Design uneingeschränkt bestehen bleibt. Ein Museum, vielleicht mit dem Schwerpunkt Technikgeschichte, entscheidet sich bei den Restaurierungsmaßnahmen am selben Objekt eventuell ein bisschen anders. Der Erhalt, die Konservierung, des Objekts steht aber für alle und immer im Vordergrund. Alles darüber hinaus sollte diskutiert werden.

 

Und was zeichnet dann eine gute Restaurierung aus?

 

Für mich: [Sie macht eine Pause] Nachvollziehbare und reversible Maßnahmen. Schauen wir uns das Objekt an, auch nach vielen, vielen Jahren, sollte mit einer Dokumentation jedes Einwirken nachvollziehbar sein. Und alle ausgeführten Maßnahmen – im Idealfall – reversibel. Ja, das sind meine zwei wichtigsten Punkte einer guten Restaurierung.

 

Innerhalb eines Seminars an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle hast Du zusammen mit Studierenden ein Campinggeschirr-Set aus Kunststoff untersucht. Gestaltet wurde es von Hans Merz, produziert in der ehemaligen DDR zwischen 1957 und 1968. Auch hier im Museum ist es momentanen ein Teil der Ausstellung.

Wie näherst Du Dich speziell dem Objekt und wie gehst Du bei der Untersuchung vor?

 

Das uns gegebene Vorwissen macht den Einstieg etwas leichter, denn wir wissen schon, dass es sich um ein Campinggeschirr-Set handelt, haben die zeitliche Einordnung, das Herstellungsland und sogar den Designer.

Also gut, wir ziehen uns Handschuhe an und möchten einen ersten Überblick bekommen, um genau zu verstehen, was wir da so vor uns haben. Zuerst steht da nur eine Kanne mit verschlossenem Deckel, allem Anschein nach ein Drehverschluss. Wir öffnen ihn vorsichtig und sehen, dass sich das Geschirr, gestapelt in der Kanne befindet. Wir holen alle Bestandteile heraus und breiten sie vor uns aus, so können wir sehen und nachvollziehen, ob das Set überhaupt vollständig ist. Tatsächlich fehlen mehrere Teile, die wir notieren und später durch eine Recherche überprüfen. Alles andere vermessen wir und bestimmen das Gewicht. Restaurator*innen schauen meist schnell auf den Zustand des Objekts und achten besonders auf die Materialität. Die Oberflächen zeigen Spuren, auch die notieren wir uns. Dann möchten wir herausfinden, ob es Schäden sind, oder Veränderungen, die zur Objektgeschichte gehören. Dazu fragen wir nach dem Gebrauch und dem Material des Campinggeschirrs, dass uns die Spuren erklären kann. [Dann denkt sie kurz nach und holt tief Luft.] Genau, denn wenn wir wissen, welches Material wir haben, welche Spuren, Veränderungen und Schäden vorhanden sind, kann es erst weitergehen. Sollen die Objekte restauriert werden, oder wie können wir sie konservieren, sie erhalten und dann, wenn es in die Ausstellung geht, in der erwünschten Lesbarkeit darstellen?

 

Ohje, ich glaube wir brauchen unbedingt ein vollständiges Campinggeschirr-Set.

 

Das denke ich auch. [Wir lachen] Die Vollständigkeit ist super wichtig, damit Betrachter*innen das Objekt verstehen können, besonders das Stapelprinzip und dass die erstaunlich vielen Einzelteile in eine Kanne passen. Also überlegen wir, wie sich das Set vervollständig lässt. Finden wir ein zweites Exemplar, um die Lücken zu füllen, besser gesagt zu ergänzen, oder erstellen wir Rekonstruktionen der fehlenden Komponenten – das müssen wir dann verhandeln.