Vertretungsprofessor Dr. Pablo Abend
Designtheorie
Aufbau- (BA) und Vertiefungsmodul (MA)
Donnerstags (NW) 14:15–15:45 Uhr
Online-Seminar

Gemäß einer Einteilung der Designwissenschaft in Forschung für, über und durch Design (Frayling 1993) ergeben sich ganz unterschiedliche Verbindungen zwischen Design und Ethnographie. Ethnographische Methoden können beispielsweise mit dem Ziel eingesetzt werden, die Kluft zwischen den Lebenswirklichkeiten von Gestalter*innen und zukünftigen Nutzer*innen zu verkleinern. Durch Beobachtungen, Befragungen und Interviews können Designer*innen als Ethnograf*innen Wissen über die Bedürfnisse, Wünsche und Hoffnungen zukünftiger Nutzer*innen systematisch und in situ sammeln oder Prototypen, Entwürfe und Konzepte in konkreten Nutzungsszenarien testen. Doch auch darüber hinaus liefert die Designethnographie Wissen über Alltagskulturen, das für zukünftige Entwürfe genutzt werden kann. Die Methoden der Ethnographie helfen dabei, kulturelle Kontexte zu analysieren, legen ein Oszillieren zwischen Theorie und Praxis nahe und halten dazu an, die Rolle von Objekten im Leben der Menschen ernst zu nehmen. Dabei ist eine ethnographisch arbeitende Designwissenschaft hochgradig prozessorientiert, denn sie analysiert Artefakte im Gebrauch – unter Berücksichtigung ihrer Materialität, semiotischen Dimension und Ästhetik – und zeigt sich dabei offen für überraschende Momente der Aneignung: nicht-antizipierte Umnutzungen, individuelle Anpassungen und Praktiken des Reparierens. Jenseits einer Produktion operationalisierbaren Wissens für das Design, kann auch der Gestaltungsprozess selbst, im Sinne der Forschung über Design, zum Gegenstand ethnographischer Forschung werden. Dabei werden die Praktiken des Designs in den Blick genommen und der Fokus liegt dann auf den am Gestaltungsprozess beteiligten Akteuren und Dingen. Und schließlich stellt sich im Sinne einer Forschung durch Design die Frage, inwiefern Design selbst eine Form der ethnographischen Forschung sein und sich an der Hervorbringung neuer Methoden und Herangehensweisen beteiligen kann. Das Potential einer solchen Designethnographie liegt darin, über die Dokumentation und Analyse des Bestehenden hinauszugehen und sich stattdessen interventionistisch in die Bedeutungs- und Wissensproduktion einzumischen, um vielleicht ein Stück weit in die Zukunft zu blicken.

Im Seminar soll es um diese und weitere Fragen gehen. Dabei lernen wir zunächst einige klassische Ansätze der ethnographischen und anthropologischen Forschung kennen, bevor wir uns unterschiedliche methodische Ansätze genauer anschauen. Dazu gehören die dichte Beschreibung, die Autoethnographie sowie die sensorische und visuelle Ethnographie. Nach der Lektüre ausgewählter Texte werden die Studierenden in einem praktischen Teil die Gelegenheit bekommen, selbst zu Ethnograph*innen zu werden und Methoden experimentell anzuwenden. Die Ergebnisse dieses Experiments dient als Grundlage für die Punktevergabe.

Anmeldungen bitte per mail an: abend@burg-halle.de