Das Projekt „learning from – re~viewing perspectives – on display – (über das ausstellen)“ befasst sich konkret und spekulativ mit Fragen und Aspekten des Ausstellens, Perspektiven der (Re)präsentation und Veröffentlichung und gestalterischen Methoden derselben.
Und weiterhin: Wenn Gestaltung der Kommunikation ‚dient‘, wie lässt sich die gestalterische Praxis selbst als Gegenstand ausstellen, veröffentlichen, vermitteln?
Wir fassen einerseits verschiedene gestalterische Arbeitsweisen ins Auge und nehmen andererseits vorhandene, alltägliche Display-Situationen, die Anliegen, Information, Inhalte in und an eine Öffentlichkeit ‚ausstellen‘ in den Fokus. Wir werden uns also gleichzeitig mit zweierlei Fällen auseinandersetzen, die je in Form räumlicher Setzungen und Übersetzungen durch Gestaltung in einem bestimmten Kontext in Erscheinung treten und erforschen und erproben ihr Repertoire und Vokabular.
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Rückblick = Ausblick ! ?
Im Fall von INFORM 13* blicken wir auf eine Geschichte von 2007 bis in die Gegenwart. Der INFORM. Preis für konzeptuelles Gestalten wurde bis dato zwölf mal vergeben, ist an der Schnittstelle von Grafikdesign und Kunst angesiedelt und mit einer Ausstellung in der GfZK verbunden. Die Nummer 13 wird nun zum Anlass, den Preis selbst und seine Bedeutung für die Praxis zum Thema zu machen und zu diskutieren.
Im Rahmen des Semesterprojekts beginnen wir mit einer Bestandsaufnahme und nähern uns dem ‚Material‘ faktisch betrachtend und vergleichend – nicht qualitativ – ähnlich einer archäolgischen Herangehensweise. An Hand von konkreten Übungen erarbeiten wir gemeinsam Fragestellungen, Kriterien und Szenarien und treten darüber in Austausch mit Prof. Rebecca Stephany und Studierenden der Redaktionellen Gestaltung der Kunsthochschule Kassel.
Welche Erkenntnisse, Ausblicke und Perspektiven lassen sich aus dem Rückblick entwickeln?
Welcher Formate der Veröffentlichung, Verräumlichung und (Re)präsentation können die gestalterische Praxis und ein gestalterisches Anliegen unterstützen?
„Wieso oft erscheinen die Fakten im Nachhinein, als hätten sie genau so kommen müssen, wie sie eben gekommen sind. Geschichte konstruiert sich als geradliniger und Ziel gerichtete Prozess, der immer vom jeweiligen Ende her konzipiert wird und alle Entscheidungen als begründet ausweist. Was aber fällt dabei nicht alles unter den Tisch?“ fragt Helmut Drexler in der Publikation „Die Utopie des Designs“ (Kunstverein München, 1994), die wir als eine von vielen weiteren Referenzen und Texten gemeinsam lesen werden.
*Das Projekt INFORM 13 ist auf Initiative von Rebecca Stephany und mir in Zusammenarbeit mit Franciska Zolyom längerfristig und in Phasen angelegt, die Auseinandersetzung wird in einer noch nicht definierten Form voraussichtlich 2023 in Erscheinung treten und veröffentlicht.
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in Erscheinung treten, öffentlich werden, agieren, kommunizieren
einschreiben, überschreiben, informieren – oder was?
Im zweiten Fall suchen wir gemeinsam nach Situationen in der unmittelbaren Umgebung des öffentlichen Raums, die per se bereits als Display (Ausstellungsraum) wahrnehmbare Organisationsformen und ‚Anliegen‘ darstellen. Wir untersuchen die Konstellationen von Sprache, Zeichen, Text, Information und Bildern oder Objekten um sie auf anknüpfendes Potential hin zu betrachten.
Es wird darum gehen, eine [scheinbar] vorhandene Öffentlichkeit aktiv zum Veröffentlichen zu nutzen und die Möglichkeiten der Artikulation von Anliegen außerhalb von gewohnten Formaten zu erproben – als spontane Setzungen, Interpretationen und Interventionen, in einem bestimmten Ausschnitt – wie beispielsweise ein Schaufenster.
Wir gehen von einer Situation vor Ort und von ihren unterschiedlichen Ausdrucksformen aus. Wir halten Ausschau nach vorhandenen Erzählungen im öffentlichen Raum und stellen die Frage „Wie können wir von hier aus weitermachen?“.
Wir entwerfen erzählenswerten Geschichten oder überschreiben bestehende Lektüre.
Wir beschreiben, kommentieren, überschreiben und veröffentlichen die Auseinandersetzung als offene, einsehbare Situation, wir verweisen auf die Wandelbarkeit der Kommunikationselemente, nicht zuletzt auf ein kritisches Betrachten der Kommunikationsformen der Gegenwart.
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In beiden Fällen werden wir offensichtlichen Fragestellungen nachgehen und Fragestellungen aus der gemeinsamen Betrachtung und Recherche entwickeln. Wir gehen vom Hinsehen, Zuhören, Beschreiben und Verarbeiten vorhandener Informationen aus und schließen mit (Re)Aktion an.
Ziel des Projektes wird sein, das eigene gestalterische Handeln und Entscheiden sicht, les- und nachvollziehbar zu machen – „um aus einer Lektüre wieder den Gegenstand einer weiteren Lektüre zu machen“**. Platz schaffen, Denk- und Handlungsraum ermöglichen, Fragen stellen, Kritik einräumen. Anwendungen erproben.
**(Roland Barthes, „das Lesen schreiben“ in: Das Rauschen der Sprache, 1984)
Fragestellungen
Welche Rolle spielt der Kontext für die Situation?
Welche Rolle spielt die Umgebung?
Welche Rolle spielt das Publikum?
Welche Rolle spielt der Raum in der Perspektive?
Wie zeigt sich das Verhältnis von Text und Bild?
Was sieht man nicht?
Sind Brüche sichtbar?
Welche Brüche sind sichtbar?
Wer hat mit einem Standard gebrochen?
und wer hat einen neuen Standard etabliert?
Gibt es zeitlose Elemente?
Haben sich Rituale eingebürgert?
Wie ist die zeitgenössische Wahrnehmung im Rückblick?
Welche Aspekte über die Arbeitsweise treten in Erscheinung?
Welche Aspekte über die Praxis per se treten in Erscheinung?
Wird der Hintergrund der Position sichtbar?
das/ein Anliegen?
Welche Formate der Veröffentlichung begleiten die Ausstellung?
Welche Formate ergeben sich aus räumlichen Eigenschaften?
Ist die Setzung temporär oder langfristig?
Wer ist beteiligt?
Wie kann man an eine bestehende Situation anknüpfen?
(Wer ist zuständig?)
Kann man Entscheidungen sehen?
Welche Entscheidungen sind sichtbar?
Welche Referenzen sind sichtbar?
Welche Gemeinsamkeiten stellen sich in der parallelen Betrachtung dar?
Wie lassen sich Arbeitsweisen kommunizieren?
In welchen Textsorten wird veröffentlicht?
Lässt sich eine Grammatik des Ausstellens erkennen?
Lässt sich ein Repertoire an gestalterischen Mitteln benennen?
Welche Rolle kann ein Text spielen?
Was wird nicht gesagt?
Was hat sich im Laufe der Zeit verändert?
Was hat sich im Laufe der Zeit nicht verändert? Arbeitsweise
Arbeitsweise
Ausstellungen lesen, Kontext entziffern, Ansichten verstehen, Text verfassen, Fragen entwerfen, Repertoire beschreiben, Standards erkennen, Ansätze formulieren, Vokabular entwickeln.
kommentieren, einschreiben, anschlagen, umschreiben, weiterführen, anknüpfen.
die Lesbarkeit von visueller Kommunikation befragen.
Setzungen und Szenarien erproben und dabei das gestalterische Repertoire erweitern — an Hand von kontinuierlicher Beobachtungen und gemeinsamer Bestandsaufnahme.
Programm
gemeinsames Sichten und Diskutieren des Materials von und in der gfzk
(institutionelle Texte — Einladung / Presse / Raumbeschriftung; Texte der Preisträger:innen — falls vorhanden; Installationsansichten, Publikationen der jeweiligen Setzung/Position; andere Formen / Formate der Dokumenation)
regelmässiger Austausch mit Prof. Rebecca Stephany und Studierenden der Redaktionellen Gestaltung an der Kunsthochschule Kassel und Franciska Zolyom, Direktorin der Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig
Ausschnitte einer Display-Situation aus einem öffentlichen, bzw öffentlich zugänglichen Raum suchen, bestimmen und bearbeiten.
gemeinsame Spaziergänge durch den Stadtraum.
(mögliche) Exkursionen an Orte an denen gestalterische Arbeit thematisiert, ausgestellt, verräumlicht oder präsentiert wird / ist.
geplante Gesprächspartner:innen / Gäste
Barbara Steiner, Initiatorin INFORM Preis, seit 2022 Leitung der Stiftung Bauhaus Dessau
Dr. Julia Meer, Kuratorin, Leitung Sammlung Grafik und Plakat, Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg
Oliver Klimpel, seit 2022 Leiter der Kuratorischen Werkstatt Stiftung Bauhaus Dessau
Prof. Jens Müller, leidenschaftlicher Sammler von und Autor über Grafikdesign (@a5jensmueller)