Das Wort ‚Karte‘ kommt aus dem Lateinischen von ›cartes‹ oder ›charta‹, was Papier oder Urkunde bedeutet. Die griechische Entsprechung leitet sich von ›culpo‹ ab, was so viel bedeutet wie ›ich schneide in Stein oder Metall‹; oder, in einer anderen etymologischen Variante, von ›charaso‹, ›ich ritze in Stein oder Erz‹. Gemäß dieser Wortherkunft ist die Karte eine Inskription, die Wissen über die Beschaffenheit der Welt festschreibt und zugleich für epistemische Wahrheit bürgt. Damit konnte die Karte zu einer wirkmächtigen Vermittlungsinstanz zwischen Räumen, Orten, Menschen und Dingen werden. Die Geschichte der modernen Kartographie ist dabei eng mit der Aneignung und Regierbarmachung von Welt verbunden und mit der kolonialistischen Expansion verwoben. Ansätze des kritischen Kartierens analysieren und reflektieren diese Macht der Karten und arbeiten heraus, wie Karten und Geovisualisierungen zu Instrumenten der Herstellung spezifischer sozialer und geopolitischer Wirklichkeiten werden, die unsere Wahrnehmung und unseren alltäglichen Umgang mit unserer Umwelt beeinflussen. Gleichzeitig bringen sie alternative Ansätze und neue Formen geographischer Wissensproduktion hervor, die unter dem Begriff Counter Mapping gefasst werden können. Damit geht eine produktionsseitige Öffnung oder gar Demokratisierung einher. An der Kartierung der Welt können sich heute viele beteiligen, sodass völlig neue Phänomene Eingang in Karten finden: Aktivist*innen, Gestalter*innen, Journalist*innen, Künstler*innen nutzen Praktiken des Mappings, um neue Sichtbarkeiten, alternative Zugänge und gegenhegemoniale Weltbilder zu entwerfen. Häufig unterlaufen sie dabei tradierte Weisen geographischer Wissensproduktion und Weltbeschreibung, um etablierte Strategien der Weltaneignung herauszufordern und andere, multimodale Darstellungsformen zu entwickeln.

Die Veranstaltung ist eine Gemeinschaftsproduktion des Lehrgebiets Designtheorie der Burg Giebichenstein Kunsthochschule (Prof. Pablo Abend) und der Forschungsgruppe „Digitale Geographie“ am Institut für Geowissenschaften und Geographie der Martin-Luther-Universität (Prof. Boris Michel). Es können Studierende beider Hochschulen teilnehmen.

Im Kurs werden wir unterschiedliche Methoden der Kartierung kennenlernen und ausprobieren. Ausgangspunkt ist die Frage, welche Funktionen Karten für uns haben und welches Wissen überhaupt Eingang in die Produktion von Karten findet. Hierfür setzen wir uns auch mit Theorien der Karte auseinander, bevor wir im praktischen Teil selbst Karten erstellen. Hierzu erproben wir im Rahmen einer Kompaktwoche (Burg) bzw. der Exkursionswoche (MLU) beispielhaft unterschiedliche experimentelle Kartierungen: Welche technischen Möglichkeiten stehen Laienkartographen zur Verfügung? Wie lassen sich Geräusche, Gerüche, Empfindungen, Eindrücken, Emotionen und Geschichten lassen sich auf geographischen Karten verzeichnen? 

Lern- und Qualifikationsziele BA und MA: Um die Lern- und Qualifikationsziele zu erreichen, werden in Gruppenarbeit zu erarbeitende Präsentationen der Seminarinhalte erwartet. Die Formate differieren und können von Plakatgestaltungen über Vitrinenausstellungen bis zu schriftlich fixierten Konzeptpapieren reichen.

Lern- und Qualifikationsziele MA Design Studies: Um die Lern- und Qualifikationsziele zu erreichen, werden zusätzlich zur Präsentation der Seminarinhalte in individuell wählbaren Formaten jeweils eine schriftliche Hausarbeit im Umfang von 20 Seiten oder eine vergleichbare vertiefende Leistung erwartet.