Das Konzept des Lebens muss für ziemlich viel herhalten. Es wird moralisiert und anhand von Normen wie beispielsweise „Würde“ oder „das Gute“ gemessen. Wo Leben als nacktes oder heiliges angerufen wird, ist es bis zu seiner Zerstörung meist nicht weithin. Es wird technologisch nachgeformt oder erweitert, ist also mal Stoff, mal Schablone für Künstliches. Dabei erscheint es häufig als begrenzte und begrenzende Opposition, die es zu überwinden gilt. In ökologischen Diskursen ist Leben wiederum selbst das, was Grenzen überwindet und Gemeinsamkeit herstellt – sei es als natürliches Milieu oder als Eigenschaft, die von verschiedenen Spezies geteilt werden.
Diese Umkämpftheit bzw. zurückhaltender formuliert: diese Ungewissheit ist Grund genug, sich dem Begriff des Lebens zu widmen, seine (Be-)Deutungsnuancen genauer zu betrachten und zu diskutieren. Innerhalb der philosophischen Tradition haben verschiedene Ansätze Lebenskonzepte als zentrales Element ihres Nachdenkens gesetzt. Diese Theorien können als vitalistisch bezeichnet werde. Zuletzt hatten vitalistische Strömungen in den sogenannten Neuen Materialismen Konjunktur. Fragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, lauten: Wie lässt sich Leben bzw. Lebendigkeit definieren? Ist das Gegenteil von Leben Sterben oder Tod? Was bedeutet es, dass Menschen auch Lebewesen sind, genauso wie Tiere und Pflanzen? Und wie lässt sich mit vitalistischen Ansätzen Theorie, Politik und Kunst machen – oder sollte Lebendiges vielleicht komplett jenseits solcher Indienstnahmen stehen?
Unter Bezugnahme auf philosophische Texte und Theorien versuchen wir im Seminar, Konzepte des Lebens in historischer und systematischer Perspektive zu verstehen. Dabei werden philosophische Grundsatzfragen diskutiert und reflexive Praktiken wie Verstehen, Deuten oder Argumentieren geübt. Die Theorie wird durch Input der Studierenden zu künstlerischen Positionen sowie durch eine Exkursion in die Sonderausstellung „Zukünfte. Material und Design von Morgen“ des Grassi Museums (Leipzig) an die ästhetische und gestalterische Praxis rückgebunden.