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Gestaltungsansätze für die Meissner Schmuckkollektion
1708 wird in Deutschland, in Meißen, das erste europäische Hartporzellan entdeckt. Eben dort entsteht durch die Gründung der Manufaktur Meissen durch August den Starken die erste Porzellanmanufaktur Europas. Das Arkanum des Porzellans war entschlüsselt und damit das lang gehütete Geheimnis über die Herstellung von Porzellan gelüftet. Meissen blickt mittlerweile auf über 300 Jahre Firmengeschichte zurück und produziert Porzellan noch immer in aufwendiger Handarbeit. Die Manufaktur ist unter schützender staatlicher Hand aufgrund ihrer besonderen geschichtlichen Bedeutung.
Seit 2016 steht ihre aufwendige und kunstvolle Porzellanmalerei als immaterielles Weltkulturerbe auf der Liste der UNESCO. Meissen ist sich dieser besonderen, historisch begründeten Rolle bewusst und versucht verantwortungsvoll mit dem Erbe umzugehen. Mit einem umfassenden Erbe umzugehen heißt auch mutig zu sein und immer wieder den Versuch zu wagen, den Anschluss an die Gegenwartsgestaltung zu finden, ohne dabei seine eigene Kernidentität zu verlieren. Die Kollektionen im Bereich Tischkultur, Figuren und Schmuck pendeln hierbei zwischen dem Ansatz, die hohe kunsthandwerkliche Fähigkeit Meissens zu zeigen sowie zu bewahren und dennoch gestalterisch die Brücke zu aktuellen Themen zu schlagen.
Eine wichtige Rolle fällt bei diesem Unterfangen den Designerinnen zu. Vor diesem Hintergrund waren wir als Studienrichtung Produktdesign/ Keramik- und Glasdesign eingeladen, uns mit frischem Blick und ergebnisoffen mit der Meissner Schmuckkollektion auseinanderzusetzen. Handwerk als Kulturerbe, welches geschützt werden muss? Gewiss ist, dass in etlichen Handwerksbereichen das spezielle Know-How auszusterben droht. Ist es erst einmal verloren gegangen, wird es schwer, es zu revitalisieren, da dieses implizite Wissen der Hände schwerlich aufzuschreiben ist. Die Gründe hierfür sind vielschichtig. Zum einen fehlt Nachwuchs in der Handwerksausbildung, aber auch die Produkte selbst sind auf dem Markt teilweise nicht mehr konkurrenzfähig oder schlicht von den Kundinnen nicht mehr gewollt oder verstanden. Inwieweit ist es Gebot der Stunde, Kunsthandwerk zu schützen und am Leben zu halten? Sind alte Ästhetiken überhaupt noch spannend und nutzbar für jetzt und die Zukunft? Vor dem Hintergrund der Manufaktur Meissen bekommen diese Fragen eine spannende, weitreichende Dimension.
Die kritischen Fragen nach Sinn und Unsinn, dem Aussterben und dem Versuch der Konservierung von Porzellantechniken und Handwerkskunst zielen ins Herzen unserer Profession und unserer Studienrichtung: Was ist für uns schützenswert und warum? Inwieweit wollen wir uns dafür einsetzen, dass das Verständnis für das Kulturgut Porzellan erhalten, vertieft und erneuert wird? Können und wollen wir Botschafter*innen sein? Inwieweit kann das Porzellan selbst zur Botschafterin werden? Welche Techniken, Ästhetiken und Eigenheiten der Manufaktur sind es wert, genauer betrachtet, ins Rampenlicht gestellt oder neu kombiniert zu werden, um der Einzigartigkeit, Schönheit und Geschichte des Materials eine Bühne zu bieten? Vor dem Hintergrund neuer Gestaltungsansätze für die Meissner Schmuckkollektion haben die Studierenden einige dieser Fragen verhandelt und regen mit ihren Entwürfen zum Dialog an.