Im Jahr 1967 verkündete Roland Barthes den „Tod des Autors“; ein Jahr später erklärte Michel Foucault den Autor zu einer Diskurs-Funktion; und 1976 schließlich schrieben Gilles Deleuze und Félix Guattari, dass sie ihre Namen beim gemeinsamen Schreiben „lediglich aus Gewohnheit“ beibehalten hätten. Auch heute noch, gut ein halbes Jahrhundert später, kennen wir diese Namen. Autor*innenschaft mag zwar, ob im Bereich der Philosophie und Theorie oder im Bereich der Literatur und der Künste, Wandlungen durchlaufen haben, wirklich überwunden wurde sie aber allen Prophezeiungen zum Trotz nicht. Doch was heißt das für heutige und zukünftige künstlerische wie theoretische Produktion? Das Seminar widmet sich der Untersuchung verschiedener Konzeptionen von Autor*innenschaft und fragt dabei nicht nur nach Perspektiven der Produktion und Rezeption, sondern auch nach Praktiken des Verweisens auf Autor*innen im Rahmen der eigenen Arbeit.

Wenn nämlich einerseits die Kritik einer individualisierten und marktorientierten Form von Autor*innenschaft legitim und wichtig ist und ein wachsendes Interesse an Formen und Strukturen kollektiven Arbeitens in eine anders organisierte Zukunft zu weisen vermag, birgt zugleich die Abschaffung jedweder Verweisstruktur das Risiko, dass die Arbeit von Autor*innen allgemein und insbesondere von Autor*innen aus diskriminierten und marginalisierten Gruppen unsichtbar gemacht wird. Was dann bleibt, sind die unablässig wiederholten Namen der Diskursmächtigsten (Barthes, Deleuze und Guattari, Foucault), während Unbekanntere im transmedialen Rauschen verschwinden. Diesem Phänomen begegnet das Seminar mithilfe neuerer Texte zur Ethik und Politik des Zitierens etwa von Sara Ahmed, Max Liboiron und Rui Li und Katherine McKittrick. In zwei Exkursen werden außerdem zwei spezifische aktuelle Phänomene genauer betrachtet: Autofiktion und Autotheorie einerseits und Autor*innenschaft in Zeiten des Internets andererseits.

Nach einer einführenden Sitzung zu Semesterbeginn findet das Seminar in Form von drei jeweils zweitägigen Blockterminen statt. Jeder Block besteht aus zwei je vierstündigen Teilen an aufeinanderfolgenden Tagen, die wiederum aus einem Lektüre- und Diskussionsteil, einer Pause und einem Beispielteil bestehen.

 

Vorläufiger Sitzungsplan

1 Einführung (Freitag, 4. April 2025, 14–16 Uhr)

2a Was ist Autor*innenschaft? 1 (Freitag, 23. Mai 2025, 14–18 Uhr)

2b Was ist Autor*innenschaft? 2 (Samstag, 24. Mai 2025, 10–14 Uhr)

3a Autofiktion und Autotheorie (Freitag, 13. Juni 2025, 14–18 Uhr)

3b Politik des Zitierens 1 (Samstag, 14. Juni 2025, 10–14 Uhr)

4a Politik des Zitierens 2 (Freitag, 4. Juli 2025, 14–18 Uhr)

4b Autor*innenschaft im Internet (Samstag, 5. Juli 2025, 10–14 Uhr)

 

Moritz Gansen ist Philosophiehistoriker, Lektor, Übersetzer und Dramaturg. Während er sich in seiner akademischen Forschung mit einigen Fragen des Streits um die Bestimmung von Philosophie beschäftigt, interessiert er sich als Mitbegründer des Theoriekollektivs diffrakt | zentrum für theoretische peripherie vor allem dafür, wie theoretische Praxis außerhalb von Universitäten aussehen kann. Dabei geht es immer wieder auch um das Verhältnis zwischen kollektiver und individueller Arbeit; einige Gedanken dazu mit Blick auf Autor*innenschaft und Philosophie finden sich in einem mit Hannah Wallenfels und Lilja Walliser verfassten Essay für den Philosopher.