Neue Konzepte für bestehende Ideen / neue Ideen für bestehende Konzepte
Jede*r kennt den Moment, wenn in der Lindenstraße etwas Wichtiges passierte – und dann kam die Schlussmusik. Man verbleibt im Ungewissen bis zur nächsten Episode: der klassische Cliffhanger einer Serie. Die nächste Folge greift genau diese Sequenz wieder auf und spinnt die Situation weiter.
Jede*r kennt auch den Moment, wenn eine experimentelle Materialentwicklung am Semesterende präsentiert werden muss. Dabei gibt es noch so viel mehr Ideen, wie das Material noch besser werden könnte vielleicht ist auch einfach der Biokunststoff verschimmelt oder die Alge nicht so gewachsen wie erwartet. Man selber sieht noch viel Potential, das man jedoch nicht ausschöpfen kann, weil die Zeit oder die Möglichkeiten fehlen. Anschließend selbst weiter zu forschen findet oftmals nicht statt, weil schon das nächste Projekt folgt oder das Studium vorbei ist und die Musterteile unterm Bett verschwinden.
Das zu jener Präsentation gezeigte Material ist in diesem Fall der Cliffhanger – dieses Stadium soll aufgenommen und weiterentwickelt werden. Das Unerledigte bildet so das Potential für eine nächste Folge der Serie, die völlig neue Wege einschlagen kann. Dabei geht es nicht um die stringente Weiterführung, sondern der ursprüngliche Ansatz soll neu gedacht und neu gestaltet werden. Das Bestehende ist als Startpunkt zu verstehen.
Es gibt verschiedene Optionen, den Cliffhanger einzusetzen.
Zum Beispiel kann die Technologie transferiert werden, indem...:
• das Grundprinzip einer Technologie auf eine andere übertragen wird
• ein Grundprinzip mit einer anderen Technologie weitergeführt wird
(z.B. eine Gewebekonstruktion mit 3D-Druck ersetzen)
• ein nichttextiles Material durch ein textiles ersetzt und mit den gleichen Techniken
bearbeitet wird usw.
Der Cliffhanger kann auch zur Gestaltung nachhaltiger Prozesse genutzt werden, indem...:
• die Kreislauffähigkeit eines Materials erzeugt wird, die vorher nicht berücksichtigt wurde
• ein Material ökologischer gestaltet wird z.B. eine wasserabweisende Beschichtung mit nachwachsenden Substanzen verbessern) usw.
Ebenso kann der Cliffhanger dazu dienen, die Funktion und/oder Ästhetik eines Materials neu
zu definieren, indem...:
• eine Grundsubstanz wie z.B. eine Biokunststoffvariante präzisiert und optimiert wird
• die Dimension eines Materials erweitert wird z.B. Bakteriencellulose dreidimensional wachsen lassen)
• die ästhetische Qualität eines neu entwickelten Materials ausgebaut wird
• andere Anwendungsbereiche als die bisher bekannten erprobt werden
• eine Entwicklung aus einem anderen Rohstoff auf Textilien übertragen wird
Das Ziel ist also ungelöste Probleme neu zu denken, neue Lösungsansätze zu suchen und hoffentlich zu finden. Ein wesentlicher Faktor des Cliffhangers ist für dieses Projekt, dass es nicht darum geht, das eigene unvollendete Projekt weiterzuführen, sondern sich dessen einer anderen Person anzunehmen. Der Cliffhanger soll als Methode etabliert werden. In diesem Fall bezieht er sich auf das Projekt einer Kommilitonin oder Absolventin der Burg. Um die Auswahl etwas einzuschränken, konzentrieren wir uns auf Projekte der Burg aus dem Industriedesign und dem Textildesign, die sich ausdrücklich mit Material und/oder Verfahren auseinandersetzen. Die Methode zielt hier auf die Materialentwicklung, kann aber grundsätzlich für vieles mehr angewendet werden.
Die Vorstellung, dass im Design immer nur Novotées entstehen müssen, gibt es immer noch. Dies ist ein Trugschluss, denn im Prinzip bauen wir immer auf Vorhandenem auf und entwickeln es mehr oder weniger weiter. In diesem Projekt wählen wir diesen Schritt ganz bewusst, indem wir uns ausdrücklich auf die Arbeit einer/eines anderen fokussieren, um sie für die Weiterentwicklung zu nutzen. Es gibt eine Liste von Projekten, die wir für den Cliffhanger vorschlagen. Gerne kann auch selbst aus anderen Studiengängen eine Projektidee eingebracht werden. Bis zum 8.3. sollt Ihr uns ein Projekt nennen, das Ihr gerne weiterverfolgen würdet – bitte auch einen Zweitwunsch angeben. Entsprechend der gewählten Themen werden wir für das Semester unser Begleitprogramm erarbeiten, z.B. kleine Vorträge oder Gästekritiken, Exkursionen oder kurze Workshops zur Vertiefung der Themen. Teilnehmer*innen am Projekt nehmen auch an dem Modul Smart Technology teil.
Im Vorfeld solltet Ihr klären, ob eine Weiterführung des Projektes von der Student*in oder Absolvent*in erwünscht ist. Wenn Ihr die Zustimmung habt, könnt Ihr festlegen, ob Ihr nur eine Übergabe macht oder ob Ihr mit der/den „Präautor*innen“ in einen Dialog treten möchtet.