Die Bezeichnung Silhouette war ursprünglich ein Schmähwort, das für eine Ästhetik der Sparsamkeit und fehlenden Dekoration genutzt wurde und auf Étienne de Silhouette zurückgeht, dem die Kontrolle der Staatsfinanzen im Frankreich Ludwig XV. übertragen wurden. Zeitgleich wurden Scherenschnitte als kostengünstige Alternative zur Portraitmalerei populär und bald bezog sich diese Bezeichnung auch auf sie. Erst im beginnenden 20. Jahrhundert findet der Begriff Silhouette Anwendung in der Mode und ist seither ein Begriff, der synonym für das Outfit genutzt wird, aber vorrangig die kompositorischen Eigenarten wie Außenlinie, Längen, Volumen und Bekleidungskombinationen bezeichnet.
Mitunter werden die natürlichen körperlichen Formen überzeichnet, beispielsweise durch akzentuierte Schultern oder ausladende Ärmel; durchbrochen mit geometrischen Formen oder barocken Drapagen; oder nachgezeichnet mit hautengen Kleidungsstücken. Die Saumlängen, die Proportionen von Details, sowie die verschiedenen Lagen eines Outfits sind nur einige weitere Mittel zur Gestaltung der Silhouette. 

Wie sich Vorstellungen von Schönheit im Laufe der Zeit verändern, wird kaum woanders so schnell deutlich wie in der Mode. Häufig verändert sich unser ästhetisches Urteil bereits nach kurzer Zeit und sobald noch etwas mehr Zeit verstreicht, verändert es sich womöglich noch einige Male. Soeben war der Bund zurück auf die natürliche Position der Taille gewandert, zeichnet sich bereits eine Wiederkehr des Mini-Minis ab - des Kleidungsstücks der frühen 2000er Jahre mit seiner enorm tiefen Bundhöhe und nicht allzu weit davon entfernt, seinem Saum.

Wie spiegelt sich im Umgang mit der Silhouette unsere Vorstellung von Ästhetik und damit auch von Schönheit und Körpern wieder? Zu Beginn werden Studierende in diesem Projekt ihre Perspektiven auf einen individuellen Schönheitsbegriff verfassen, den sie durch die Lektüre von Byung-Chul Hans Essay "Die Errettung des Schönen", sowie praktische Übungen im Projektverlauf weiter ausdifferenzieren werden. Zudem sollen beispielhaft historische Silhouetten, sowie Second Hand Kleidungsstücke recherchiert werden, die dem persönlichen Schönheitsbegriff entsprechen und auf ihre Potentiale für einen gestalterischen Transfer befragt werden.

Durch diese Methode wollen wir uns einem weiteren Thema annähern: Mode und Zeit und uns insbesondere dem antilinearen, zyklischen Zeitverlauf, sowie der uchronischen Zeit, der Zeit einer unbestimmten Zukunft in der Mode widmen. Wo befinden sich die Studierenden in Bezug auf Vergangenheit und Zukunft in der Mode, welche Vorlagen, Strömungen oder Designer*innen der älteren oder auch jüngeren Vergangenheit sind für sie jetzt von Bedeutung um ihre Zukunft zu gestalten?

Als Material wollen wir uns in diesem Semester zudem einer Neuinterpretation der Spitze zuwenden, einem Material, das besonders geeignet für das Spiel mit der Silhouette und mit dem Schönheitsbegriff zu sein scheint. Hierzu werden Studierende Spitze recherchieren und die Potentiale für eine zeitgenössische Interpretation ausschöpfen. Schwerpunkte der Recherche können beispielsweise Motive von Spitze, typische Kleidungsstücke aus Spitze, eine historische Periode oder auch die Produktion von Spitze sein. Durch experimentelle Techniken sollen in den vielfältigen Werkstätten und mit den Ressourcen, die an der BURG zu Verfügung stehen, durchbrochene Materialien entstehen. Dabei können beispielsweise Themen wie die Brüchigkeit des Materials oder des Entkleidens und Verdeckens eine Rolle in Bezug auf den Schönheitsbegriff spielen. 

 

In der ersten Kompaktwoche findet eine Studienreise nach Antwerpen in Belgien statt, um eine umfassende Ausstellung zu Spitze und weitere Modeausstellungen zu besuchen. 

 

Ziel des Projekts ist es auf Grundlage der Auseinandersetzung mit einem persönlichen Schönheitsbegriff 2 komplexe Outfits und Accessoires zu erarbeiten in einer Neuinterpretation von Spitze. 

Die Projektentwicklung soll in einem Skizzenbuch dokumentarisch, sowie die Resultate in einem Lookbook Shooting, sowie einem kurzen Videoclip (3. Stj), bzw. einem Editorialshooting (4. Stj.)  festgehalten werden.