Parteiisches Design, Das Elend der professionellen Distanzierung*
1. Wir Designer*innen und Akademiker*innen nehmen gesellschaftliche Entwicklungen wahr, die uns Sorgen bereiten. Inakzeptable Zustände wie Armut, Rassismus, Klimakrise, soziale Segregation, Desinformation, Umweltzerstörung, Ökonomisierung, Prekarität, Ausgrenzung und Diskriminierung verschärfen sich.
2. Wir sehen disziplinäre Praktiken und ein Bildungssystem, das diese gesellschaftspolitischen Probleme nicht als seine Aufgaben anerkennt. Sie beharren auf Selbstreferenz und auf den engen disziplinären Grenzen ihrer Professionalität. Somit sind nicht nur wichtige Themen, sondern auch Personen, die eigentlich Adressaten sein sollten, sowie Auftraggeber unserer Arbeit ausgeschlossen.
3. Wir vertrauen auf das Potenzial des Designs, um unserer Kritik an der Disziplin entgegenzuwirken. Gerade in der Lehre können diese designrelevanten Fragestellungen in den Fokus unseres Engagements rücken, um die unangebrachte Ignoranz der Disziplin endlich zu überwinden und neue Formen der politischen Zusammenarbeit neu zu gestalten.
4. Wir wollen herausfinden, inwieweit unsere Designpraxis sich auf die Seite derer stellen kann, die direkt von sozialen und ökologischen Ungerechtigkeiten betroffen sind und begonnen haben, sich ihnen zu widersetzen. Es ist die Aufgabe der Designausbildung, neue Praktiken vorzuschlagen, die zum sozialen Wandel beitragen, indem sie eingreifen und sich positionieren. Design sollte parteiisch zugunsten realer Probleme und der Anliegen sozialer Akteure sein.
5. Dabei unterstützen wir uns gegenseitig über unsere einzelnen akademischen Einrichtungen hinaus. Eine Struktur des Austauschs, des Teilens und der Fürsorge soll es ermöglichen, Experimente in Parteilichkeit und sozialem sowie politischem Engagement zu vertiefen und kritisch zu reflektieren.
Parteiisches Design erforscht das Potenzial von Design, schädlichen gesellschaftspolitischen Entwicklungen durch die Unterstützung der Zivilgesellschaft entgegenzuwirken. Insbesondere in der Lehre sollte unserer Meinung nach diese designbezogene Frage zu einem neuen Schwerpunkt werden, um neue Routinen, Formate, Hierarchien und Kooperationen für Designpraktiken zu erforschen. Es geht um einen experimentellen Ansatz, der einen sozialen Beitrag leistet, indem er sich einmischt und sich zugunsten realer Probleme und der Anliegen von gesellschaftlicher Akteure positioniert.
* Ausschnitt aus dem Gründungspapier des Netzwerk Parteiisches Design, Prof. Jesko Fezer/HfBK Hamburg, Prof. Maike Fraas/HBK Saar, Prof. Matthias Görlich/BURG. Weitere Mitglieder: Hyperwerk Basel, UdK Berlin, TU Braunschweig, TU Cottbus, Die Angewandte Wien, KH Kassel, Sandberg Institute Amsterdam
Der Beginn eines Austauschs mit dem Netzwerk ist für das Wintersemester 2022/23 geplant.
Thema
Ausgehend von den oben genannten Forderungen werden wir uns im Wintersemester 2022/2023 wieder mit externen Partner*innen, Initiativen und Netzwerken zusammenschließen um an konkreten Aufgabenstellungen zu arbeiten.
Das Themenfeld der Projekte wird sich weiterhin an gesellschaftlich relevanten Fragestellungen orientieren. So werden sowohl bereits in den vergangenen Semestern begonnene, als auch neu hinzukommende Projekte Grundlage für unsere Auseinandersetzung bilden. Ein großer Schwerpunkt wird die weitere Auseinandersetzung zu Fragen um Migration, Menschenrechte und politischer, bzw. gesellschaftlicher Verantwortung sein. Dabei werden Projekte in unterschiedlichen Umfängen zur Auswahl stehen, sowohl kurze “Sprints” und ad hoc Interventionen, als auch semesterübergreifende Projekte. Die Teilnahme am vorherigen Semester ist nicht Voraussetzung für die Teilnahme an diesem Semester!
Hierbei ist zentral, daß die Studierenden ihre eigene Perspektive auf die gegebene Thematik entwickeln, formulieren und in den Austausch mit unseren Partner*innen bringen. Wir sind dabei explizit medial nicht eingeschränkt sondern agieren nach inhaltlichem Bedarf. Räumliche Interventionen, Ausstellungen sind dabei ebenso möglich wie Grafik, Film und digitale Ansätze. In der Auftaktwoche, wie auch in regelmäßigen gemeinsamen Austausch- und Input-Formaten, diskutieren wir in großer Runde Projektstände, Beobachtungen, Rückfragen, Ideen, Mißverständnisse und Projektansätze. Wir arbeiten wieder in Gruppen, weil uns nicht nur der Austausch, sondern das produktive gemeinsame entwickeln entlang der gemeinsamen Fragestellungen interessiert. Die Gruppenarbeit stellt auch sicher, daß Studierende mit unterschiedlichen Erfahrungen und Kenntnisständen ein Umfeld finden, daß eine erkenntnisreiche Mitarbeit ermöglicht.
Ein Pool an Kooperationsprojekten wird zu Beginn des Semesters vorgestellt, diskutiert und als Grundlage für die Bildung von Projektgruppen dienen. Wer sich mit den oben genannten Forderungen, der beschriebenen Arbeitsweise und den bisher behandelten Themenfeldern identifiziert, wird hier interessante Untersuchungsgegenstände und Kooperationspartner finden.
Voraussetzungen
- Bereitschaft für eine ernsthafte, intensive, eigenverantwortliche und selbstständige Auseinandersetzung mit den Themen und mit unseren Gesprächspartnern wird vorausgesetzt. Im Laufe des Semesters setzen wir uns auch mit der eigenen Arbeitsmethodik und den Arbeitswerkzeugen auseinander und entwickeln unsere eigenen Tools.
- Das Projekt richtet sich an Studierende aus dem Hauptstudium im Kommunikationsdesign, steht aber nach Rücksprache auch offen für interessierte Studierende anderer Studiengänge.