Schwerpunktprojekt Schrift und Typografie
WiSe 2020/21
Prof. Andrea Tinnes
Pierre Pané-Farré
[...] Jeder Auseinandersetzung mit einem Sujet, einer Fragestellung – sei es eine wissenschaftliche oder eine künstlerische – liegt der Akt des Sammelns zugrunde: man sammelt Informationen, Artikel, Bücher, Meinungen und Gedanken, um sich einem Thema anzunähern, es zu begreifen, ihm habhaft zu werden. Sammeln ist der Ausgangspunkt einer jeden tieferen Auseinandersetzung mit Inhalten, die Grundstruktur mit der man sich einem bestimmten Sujet nähert um es zu bearbeiten und eine neue Perspektive darauf zu werfen.*
Unter dem Motto »Personal Bureau of Investigation« werden wir in diesem Wintersemester als forschende Sammler*innen, Typograf*innen und Schriftgestalter*innen zu einem eigenen persönlichen Thema arbeiten, welches uns aktuell bewegt oder akut unter den Nägeln brennt.
Im Zentrum steht zu Beginn das Recherchieren, Sammeln, Selektieren und Kompilieren von unterschiedlichsten Text-, Zeichen- und Bildmaterialien sowie digitalen und analogen Artefakten zu eurem selbst gesetzten Thema.
Diese Materialsammlung soll im Laufe des Semesters in eine vielschichtige Erzählung übersetzt werden, in der sich Texte, Formen und Bilder auf unterschiedlichste Art und Weise begegnen und aufeinander reagieren können. Dabei sollen die Möglichkeiten der inhaltlichen Strukturierung, der Umgang mit dem Material, die Wahl der Medien (Print, Digitale Medien oder Schriftgestaltung), das Layout sowie Text-Bild Korrelationen hinterfragt und spielerisch ausgelotet werden.
Wir untersuchen zudem Medien und Formate für Sammlungen, Archive und Bibliotheken (digital und analog), loten Übersetzungswerkzeuge aus und setzen uns mit ordnender und strukturierender Typografie auseinander (seien es Listen, Inhaltsverzeichnisse, Karteikarten, Indexe, Lexikas, Glossars oder Formulare ebenso wie Kataloge, Ordner, Charts oder digitale Plattformen).
Wir begreifen den Seminarraum als einen lebendigen Experimentier- und Forschungsraum, einen Ort an dem wir gemeinsam auf Augenhöhe arbeiten, lesen, diskutieren und voneinander lernen können (auch unter digitalen oder eingeschränkten Voraussetzungen).
Verschiedene Formate werden uns im Semester begleiten:
Einstiegsworkshop
Mit dem Workshop »Visuell-verbale Kompilationen, Blaupausen und Cut-Up Manuskripte« starten wir in das neue Semester mit dem Ziel, durch das Sammeln von Informationen, Text- und Bildmaterialien, das Diskutieren von Ansätzen und Haltungen sowie das Notieren persönlicher Gedanken und Fragestellungen, einen schnellen und intensiven Einstieg in das eigene Schwerpunkt-Thema zu ermöglichen (siehe »Aktivistische Blaupausen und Cut-Up Manuskripte« WiSe 2019/20).
Learning »Glyphs«
Mit einem weiteren Workshop bieten wir einen ersten Einstieg in die Font-Editing Software »Glyphs-«. Wir erwerben elementare Kenntnisse in Typeface Design und lernen Font-Dateien als Archivierungstool für Formen, Zeichen und Symbole kennen.
Hanna Boslau
Learning Coding
Ein dritter Workshop zu Coding und interaktiven Medien gibt EInblicke in digitale Archivierungstools und webbasierten Anwendungen.
David Liebermann und Jana Reddemann
Hands-On Aufgaben
Mit ganz konkreten typografischen und schriftbasierten Aufgabenstellungen geben wir den Anstoß für vielfältige visuelle Übersetzungen, Interpretationen oder Inszenierungen eures Materials.
Personal Design Library
Die Beschäftigung mit euren selbst gesetzten Inhalten soll euch zudem die Möglichkeit der Entwicklung einer eigenständigen Gestaltungsbibliothek als individuelles Toolkit für typografisches Arbeiten bieten.
Teaching Take Over
Unter dem Titel »Teaching Take Over« bieten wir euch die Möglichkeit, regelmäßig an feststehenden Terminen die Rolle von Lehrenden zu übernehmen, um somit eigenständige Formate der Lehre und der Vermittlung auszuloten.
Remote Online Conversations
Wir planen mit folgenden Gästen ein Online Format mit Interviews, Dialogen und Gesprächen:
Madeleine Morley, Our Polite Society, Mr. Keedy, Silas Munro, Tânia Raposo (Letterform Archive) sowie Jana Reddemann und David Liebermann (fast alle haben mittlerweile zugesagt).
Zudem wird Prof. Rita Rentzsch einen Einblick in das Ausstellungsprojekt »Sammelfieber« mit Studierenden geben.
Weitere mögliche Programmpunkte werden zu Semesterbeginn gemeinsam diskutiert und entschieden. Wenn trotz Corona möglich, besuchen wir auch wieder Studio- und Foundries in Leipzig oder Berlin.
*A — Z der transdisziplinären Forschung, Wiki Sammeln
Bild: Blick in das Archiv der Jugendkulturen Berlin; Foto: Andrea Tinnes, 2018