Johann Gottfried Herder ist als zentrale Figur der Geisteswelt des 18. Jahrhunderts bekannt. – weniger bekannt sind seine Kritischen Wälder.

Es handelt sich dabei um eine Sammlung kritischer Abhandlungen. Den seltsamen Titel verteidigte er, in mehreren Sprachen habe „das Wort Wälder den Begriff von gesammelten Materien ohne Plan und Ordnung“. Geschrieben wurden die Wäldchen aus Wut und in Eile. Herder verfasste sie vor allem als Polemik gegen verfeindete Positionen. Das Vierte Wäldchen kritisiert zunächst den Vorlesungsband des Erfurter Professors Friedrich Justus Riedel als „krauses Riedellabyrinth“ und „unverdaute Rhapsodie“, um sich dann von der Vorlage zu lösen und neben Bemerkungen zum Guten und Wahren vor allem eine eigene Theorie des Schönen vorzulegen.

Herders Ästhetik orientiert sich an den Wahrnehmungsweisen von Gehör, Seh- und Tastsinn. Im Zentrum seines großangelegten Entwurfs steht eine Theorie der Erfahrungssinne (Ästhesiologie). Wie konnte sich aus akustischen, optischen und haptischen Eindrücken und Empfindungen das menschliche Schönheitsempfinden entwickeln? Die Erkenntnisleistung der Sinnesorgane wird außerdem mit der menschlichen Entwicklungsgeschichte verknüpft und erhält also auch eine historisch-anthropologische Dimension. Menschen erscheinen bei Herder als tierartige Geister mit dunklen Ideen. Das Vierte Kritische Wäldchen ist ein amüsant zu lesendes Gedankendickicht mit Ideen zu Schönheit und Kindheit, Phantasie und Gedächtnis, Witz und Scharfsinn. Das Seminar lädt zu einem konzentrierten Lektürekurs ein.

 

Literatur

  • Johann Gottfried Herder: Kritische Wälder oder Betrachtungen über die Wissenschaft und Kunst des Schönen. In: ders.: Gesammelte Werke Band 4, hrsg. v. Bollacher, und Jürgen Brummack u. Martin Bollacher, Frankfurt am Main 1993

  • Johann Gottfried Herder: Plastik. Einige Wahrnehmungen über Form und Gestalt aus Pygmalions bildendem Traume. Gesammelte Werke Band 2, Frankfurt am Main 1994, S. 243-326

 

Lernziel, Qualifikationsziele / Objectives, Learning Outcome

  • Erarbeitung theoretischer und diskursiver Zugänge zu historischem Wissen
  • Einbindung disziplinärer und transdisziplinärer Theorien zum tieferen Verständnis der jeweiligen Fachdisziplinen
  • Fähigkeit, das kulturelle, gesellschaftliche und politische Diskursfeld, in dem sich die Inhalte bewegen, zu reflektieren
  • Bildung eigener Schwerpunkte und Forschungsansätze auf der Basis der Vernetzung, Reflexion und Pointierung des Themenspektrums