Praxisprojekt von Elise Möller im Rahmen des Masterstudiengangs Kunstwissenschaften. Die Ortsbegehung wurde am 8. Mai im Stadtteil Frohe Zukunft in Halle (Saale) als Teil des Projekts "Audiowalk zu Zwangsarbeit in den Siebel-Flugzeugwerken" durchgeführt.
Die Ortsbegehung am 8. Mai 2022 führte entlang der ehemaligen Fläche, auf der sich die Siebel-Flugzeugwerke befanden, bis zum ehemaligen Gelände des KZ-Außenlagers Birkhahn. Die Entwicklung eines Audiowalks über die NS-Zwangsarbeit in den Siebel-Flugzeugwerken versteht sich als Klammer rund um die Ausarbeitung des Veranstaltungsformates vor Ort.
Am 8. Mai 2022 besuchten ca. 100 Personen die auf 90 Minuten festgesetzte Erinnerungsveranstaltung, die sich als forschend-recherchierender Bestandteil des Projekts zur NS-Zwangsarbeit in den Siebel-Flugzeugwerken versteht. Den Ausgangspunkt stellte der von Bernd Kleffel geschaffene Gedenkstein für die Opfer des KZ-Außenlagers Buchenwald der Siebel-Flugzugwerke Halle-Mötzlich dar, welcher mit der historischen Fläche des KZ-Außenlager Birkhahn in Beziehung gesetzt wurde. Nach einer kurzen Eröffnungsrede wurde die erste Station »Ehemalige Wartehalle – Eingang Flugzeugwerke« des Audiowalks gehört. Daran anschließend begab sich die Gruppe zu Fuß bis zur Fläche des ehemaligen KZ-Außenlagers Birkhahn. Auf eben dieser Fläche wurde eine weitere Station, Station 6: KZ-Außenlager Birkhahn, gehört und um einen Beitrag der Historikerin Katharina Krüger ergänzt. Im Anschluss an die Veranstaltung erfolgte ein Vernetzungstreffen aller Beteiligter und neuer Interessierter.
Die Rückführung zum Ort des historischen Geschehens ermöglicht es, ein räumliches Bewusstsein für die Gewaltgeschichte rund um die Zwangsarbeit in den Siebel-Flugzeugwerken zu schaffen. Da heute auf der Fläche des ehemaligen KZ-Außenlagers nichts mehr an deren historische Bedeutung erinnert, ist es dem Projekt ein Anliegen auf ebendiese hinzuweisen und die Ambivalenzen der städtischen Erinnerungskultur im Umgang mit der Fläche zu beleuchten.
Eine zentrale Frage des Projektes ist, welche empathische Bezugnahme möglich ist, wenn ein historischer Ort entkernt wird, über diesen Bäume gepflanzt werden und somit die räumlichen Spuren der Vergangenheit verschwinden. Dieses Abschneiden, Überbauen und Verschütten von Erinnerung soll durch die Inhalte und die Form des Audiowalks und der Begehungen vor Ort wieder zutage treten. Der Audiowalk eröffnet einen inhaltlichen Zugang zum geschichtsträchtigen Untergrund und der mit ihm verbundenen Gewaltgeschichte. Durch die Begehungen vor Ort kann die Ambivalenz der aktuellen Erinnerungskultur durch die Erfahrung der Örtlichkeit verdeutlicht werden. Einerseits die Verdichtung von Erinnerung in Form eines Denkmals, allerdings ohne Informationen über den konkreten Ortsbezug, andererseits das überbaute und unsichtbar gemachte Gelände des KZ-Außenlagers Birkhahn nur wenige Kilometer entfernt.
Mit Hilfe von Begehungen wie dieser können gezielt Personengruppen angesprochen und es kann direkt auf Fragen zum Ort eingegangen werden. Es entstehen Momente der Vernetzung und des Wissensaustausches über lokalhistorische Hintergründe aus der Zeit des Nationalsozialismus. So ergaben sich am 8. Mai 2022 unter anderem Gespräche zwischen Student*innen, Gemeindemitgliedern, Nachbar*innen, Historiker*innen und Nachfahren von Überlebenden. Die Spurensuche über das, was vor der eigenen Haustür geschah, kann dazu
beitragen, die Bindung und das Bewusstsein zum Thema zu erhöhen. Außerdem können Diskussionen darüber entstehen, welche Art von Raum wir benötigen, um historisches Bewusstsein zu schaffen und zu erhalten.
Das Projekt "Audiowalk zur Zwangsarbeit in den Siebel-Flugzeugwerken", das von Studierenden der BURG initiiert wurde, hat sich seit seiner Entstehung als ein Ort der Kooperation und ein Raum für Austausch zwischen unterschiedlichen Kompetenzen und Fachdisziplinen erwiesen. Aktuell kooperieren im Projekt Kunstwissenschaftlerinnen, Künstlerinnen und Designerinnen mit Historikerinnen, Geographinnen und Pädagoginnen, um gemeinsam die Möglichkeiten eines kritischen Interventionsprozesses zu erkunden und über die Limitationen des eigenen Fachs hinauszublicken. Hierbei gelingt es, den Kenntnisstand stetig zu erweitern.