Masterthesis von Anja Jeschaunig im Studiengang Design Studies (Wintersemester 2018/19)
Abstract (deutsch)
Der Rand eines Gegenstandes der visuellen Gestaltung stellt eine Übergangszone dar und übernimmt demnach eine bedeutende Rolle als Vermittler zwischen dem Ding und seiner Umgebung, zwischen Zentrum und Peripherie, zwischen Innen- und Außenraum. Infolgedessen stellt er eine Zone hoher Spannung dar. Die folgende Arbeit versucht der Frage nachzugehen, welche Bedeutung, Funktion und Formen der Rand der gedruckten Buchseite aufweisen kann und ob und inwiefern im Zuge der gestalterischen Erneuerungsbestrebungen avantgardistischer Buchgestalter*innen der 1920er Jahre dem Rand der gedruckten Buchseite ein Bedeutungswandel zukommt. Ausgangspunkt und Denkgrundlage für die geführten Untersuchungen bilden die beiden konkreten Fallbeispiele gedruckter Bücher der 1920er Jahre, die vierzehn Bauhausbücher von Lászlo Moholy-Nagy (1923-30) und das Gedichtbuch Dlja Golosa (Für die Stimme) von El Lissitzky (1923).
Der Seitenrand, welcher in unauflöslichem Zusammenhang mit der Formatbegrenzung steht, wird sowohl in der Umschlag- als auch in der Innenseitengestaltung neu gedeutet. Die Gestalter reflektierten die Grenzen ihrer Gestaltungsflächen, des Bildfeldes sowie der Buchseite. Der Seitenrand befindet sich nahe an der Grenze und um ein Mittelfeld herum und wird in der neuen Buchtypografie der 1920er Jahre aktiv in die Gestaltung miteinbezogen. Der Seitenrand wird nicht mehr allein als eine das Mittelfeld von der Umgebung trennende, abschirmende Zone begriffen, worin seine Funktion in der traditionellen Seitenanordnung der Buchseite primär bestand. Die neuen Künstler-Typograf*innen versuchten die zuvor voneinander isoliert und getrennt behandelten Bereiche zu verbinden. Die asymmetrische, dynamisch-bewegte und randabfallende Gestaltung widersetzt sich den orthogonalen Formatkanten. Fest definierte Seitenränder werden aufgebrochen und durchdrungen. Die Gestaltung suggeriert den Eindruck, als würde sie sich im Außenraum des Buches fortsetzen. Die Gestaltung bis zum Rand verweist über das Medium hinaus.
Abstract (englisch)
The edge of a visual object constitutes a transitional zone and therefore plays an important role as a mediator between the thing and its surroundings, between the center and the periphery, between interior and exterior space. As a result, it presents a zone of high tension. The following work attempts to investigate the meaning, function and forms of the edge of the printed book page and whether and to what extent in the course of creative renewal efforts of avant-garde book designers of the 1920s the edge of the printed book page experienced a change of meaning. The starting point and basis for this guided study are the two concrete case studies of printed books from the 1920s, the fourteen Bauhausbücher (Bauhaus books) by Lászlo Moholy-Nagy (1923-30) and the poetry book Dlja Golosa (For the Voice) by El Lissitzky (1923).
The margin, which is indissolubly related to the size limit, is reinterpreted in both the cover and inside design. The designers reflected the boundaries of their design surfaces, the image field and the book page. The margin is close to the border and around a midfield and is actively involved in the design in the new book typography of the 1920s. The page margin is no longer understood solely as a shielding zone separating the midfield from the environment, like its function was primarily in the traditional page layout of the book page. The new artist-typographers tried to combine previously isolated and separately treated areas. The asymmetrical, dynamic-moving and edge-sloping design defies the orthogonal format edges. Hard-defined margins are broken up and overcome. The design seems that it continues in the outer space of the book. The design to the very edge points beyond the medium.