Kurzbeschreibung, Interesse und Motivation 

Die Frage nach dem Stellenwert des Ornaments erweist sich als Debatte mit langer Historie im Kontext westlich-europäischer Theorieschreibung. Oszillierend zwischen überflüssigem Beiwerk und Urform der Kunst reichen die Einschätzungen des Ornaments von seiner Diskreditierung als reine Applikation bis hin zur Anerkennung als integrativer Bestandteil seines Gegenstands. Dabei erweisen sich Definition und Bewertung des Ornaments als untrennbar verbunden. In der Beschäftigung mit Theorieschreibung zum Ornament bemerkte ich, dass zu seiner Begriffsbestimmung immer wieder sprachliche Bilder wie Schmuck, Schminke, Putz, Luxus, Verführung herangezogen werden, die – häufig abwertend – eine Nähe zu klassischen Konzepten von Weiblichkeit herstellen.

Abstract 

Das Ornament kritisch mit Weiblichkeit in Verbindung zu bringen, scheint eine Konstante in der Theorieschreibung zu sein, die sich bis Cicero in die römische Antike zurückverfolgen lässt. Am Beispiel einer „naturbelassenen“ Frau spricht er sich für Schmucklosigkeit in der Rhetorik aus und erweist sich damit als Vordenker einer deutlich später in der Geschichte aufkommenden Ablehnung des Ornaments, so betonen diverse Sekundärquellen. Diese scheinbare historische Kontinuität der Verknüpfung von Ornament, Kritik und Weiblichkeit unterziehe ich in meiner Masterarbeit einer Relektüre, indem ich Texterzeugnisse aus dem Kanon der Ornamenttheorie aus Antike und Renaissance in einen Vergleich mit Positionen um 1900 bringe. Indem ich kritisch den Gebrauch von Primärquellen untersuche, komme ich zu dem Schluss, dass es sich bei dem Zusammenhang von Ornament, Kritik und Geschlechtszuschreibung um eine komplexe Gemengelage handelt, die eine differenzierte Aufarbeitung verlangt. Es wird deutlich, dass der geschlechtlich markierte Körper als Verhandlungsort für Fragen zum Ornament eine lange Historie aufweist. Dabei wird das Ornament jedoch weder seit jeher mit der Frau verbunden, noch kritisch verurteilt. Diese Tendenz lässt sich erst um 1900 beobachten und auf diverse gesellschaftliche Veränderungen zurückführen, wie das Aufkommen des Kunstgewerbes und in diesem Zuge neuer Betätigungsfelder und Bildungsmöglichkeiten für Frauen. Ausgehend von Sekundärliteratur zum Zusammenhang von Ornament, Kritik und Weiblichkeit kann ich so beispielhaft nachvollziehen, wie in der Verwendung von Primärquellen zum Teil nachträgliche Geschichtsschreibung aus der Verortung der jeweiligen Autor*innen stattfindet.

Die Autorin

Anna Gröger studierte Freie Kunst an der AdBK Nürnberg sowie der HFBK Hamburg, bevor sie den Master in Design Studies an der Burg Giebichenstein absolvierte. Ihr Interesse gilt tradierten Hierarchien zwischen bildender und angewandter Kunst, wobei ihr Schwerpunkt auf Theorieschreibung zu Ornamentik, Schmuck und dem Dekorativen liegt. Sie lebt und arbeitet als bildende Künstlerin und Theoretikerin in Hamburg.