PARTEIISCHES DESIGN, WINTERSEMESTER 2023/24

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THEMA:

Ausgehend von den Forderungen eines Parteiischen Designs (s.u.) arbeiten wir im Wintersemester 2023/24, wie auch schon in den vergangenen Semestern, wieder mit externen Partner*innen, Initiativen, Einzelpersonen und Netzwerken zusammen, um uns mit konkreten Fragestellungen auseinanderzusetzen. Die Teilnahme am vorherigen Semester ist dabei KEINE Voraussetzung für die Teilnahme an diesem Semester!

Das Themenfeld der Projekte wird sich fortführend an gesellschaftlich relevanten Fragestellungen orientieren. So werden sowohl bereits in den vergangenen Semestern begonnene, als auch neu hinzukommende Anfragen Grundlage für unsere Auseinandersetzung bilden. Ein großer Schwerpunkt wird die weitere Auseinandersetzung zu Fragen um Migration, Menschenrechten, Machtstrukturen, Erinnerungskultur und politischer, bzw. gesellschaftlicher Verantwortung und Teilhabe sein. Hierbei interessiert uns insbesondere die Rolle der gestalterischen Disziplin in diesem Feld. Projekte werden in unterschiedlichen Umfängen zur Auswahl stehen, sowohl kurze “Sprints” und ad hoc Interventionen, bis hin zu semesterübergreifenden Projekten.

Zentral ist für uns, daß Studierende ihre eigene Perspektive auf die gegebene Thematik entwickeln, formulieren und in den Austausch mit unseren Partner*innen bringen. Es handelt sich bei unseren Kooperationen NICHT um Auftragsarbeiten oder Jobs. Wir diskutieren in der Einführungswoche gemeinsam, welche Aspekte an den Projektanfragen für uns interessant erscheinen, was wir kritisieren, wo wir Lücken und Potenziale sehen, wo wir den Schwerpunkt legen möchten und ob wir uns überhaupt für eine Zusammenarbeit entscheiden. Es geht uns um das Erforschen und das Entwerfen von eigenständigen, aus eigenen Interessen getriebenen Projekten, nicht um das Erfüllen von Vorgaben der Projektpartner*innen. Wir sind in unseren Entscheidungen autark, aber interessiert an der Expertise und den Vorstellungen der Projektpartner*innen und wir befinden uns im kontinuierlichen Austausch mit ihnen. 

Wir sind bei der Entwicklung unserer Gestaltung explizit medial nicht eingeschränkt, sondern agieren nach inhaltlichem Bedarf. Räumliche Interventionen und Ausstellungen sind ebenso möglich wie Grafik, Illustration, Film und digitale Ansätze. In der Auftaktwoche, wie auch in regelmäßigen gemeinsamen Austausch- und Input-Formaten, diskutieren wir in großer Runde Projektstände, Beobachtungen, Rückfragen, Ideen, Missverständnisse und Ansätze. Wir arbeiten wieder in Gruppen, weil uns nicht nur der Austausch, sondern das produktive gemeinsame Entwickeln entlang der gemeinsamen Fragestellungen interessiert. Die Gruppenarbeit stellt auch sicher, dass Studierende mit unterschiedlichen Erfahrungen und Kenntnisständen ein Umfeld finden, das eine erkenntnisreiche Mitarbeit ermöglicht.

Lehrende:
Durch das Ende der Verträge von Lisa Baumgarten und Felix Egle kommen nun zwei neue Personen mit an Bord: Das ist einerseits Sandy Kaltenborn, Kommunikationsdesigner aus Berlin als Gastprofessor sowie Anna Unterstab, Alumni der Burg als Künstlerische Mitarbeiterin. Aus diesem Anlass haben wir die Struktur und Zuständigkeiten innerhalb der Lehre nochmals angepasst, damit wir zu Dritt eine kontinuierliche und produktive Betreuung aller Aktivitäten der Studiengruppe sicherstellen können.

AKTUELLE ANFRAGEN:
● Wie weltoffen ist unsere Hochschule wirklich? (Link)

Ausgehend von kritischen Erfahrungsberichten einer Vielzahl Studierender, die aus dem nicht-deutschsprachigen Ausland zu uns an die Hochschule gekommen sind, wollen wir uns mit der Frage auseinandersetzen, ob und wie die BURG auf Anforderungen, die daraus erwachsen, reagiert. Was bedeutet es, wenn eine Hochschule sich als “Weltoffene Hochschule” positioniert? Wie wird Interkulturalität wirklich gelebt, welche Formen einer Willkommenskultur gibt es und an welchen Stellen gibt es Handlungsbedarf? Wie gehen wir als Hochschule mit Benachteiligung um, mit Rassismus und verbalen und physischen Übergriffen? Wir als sozial und politisch engagierte Studierende, Lehrende und Mitarbeitende wollen in der eigenen Institution dafür sorgen, daß der Anspruch, den wir proklamieren, in unseren Seminarräumen, auf den Fluren, während Veranstaltungen, auf den Webseiten der BURG und in der Kommunikation wirklich gelebt wird.
Gemeinsam mit Studierenden, dem StuRa, dem International Office, dem Studiendezernat, der Gleichstellungsstelle und der AG Internationalisierung wollen wir möglichst schnell in’s Handeln kommen. Wir wollen entwerfen und gestalten: Prototypen, kleine Maßnahmen und langfristige Strukturen, schnelle Drucksachen und informative Webseiten oder aber auch geschützte Gesprächssituationen und Möglichkeiten persönlichen Wissensaustausch.

● Support Sonneberg (Link)
Wir wollen in der Einführungswoche gemeinsam diskutieren, ob und wie wir als Studiengruppe Informationsdesign auf die aktuelle Situation in der Kleinstadt Sonneberg in Thüringen reagieren können. Es gibt diverse Aufrufe zur Unterstützung lokal ansässiger Bürger-Initiativen, die sich einem enormen Druck ausgesetzt sehen und immer mehr Schwierigkeiten haben, ihre bisherige Arbeit fortzusetzen.

● “Deeskalatives Design” in Kooperation mit Sea-Watch e.V. (Link)

Unsere Zusammenarbeit mit Sea-Watch und dem Rettungsschiff Sea-Watch 5 wird auch im kommenden Semester fortgesetzt. Aufbauend auf bereits entstandenen Maßnahmen und Recherchen gibt es noch viele Ansatzpunkte für weitere Projekte, die sich mit der Kommunikation an Bord beschäftigen. Welche Schwerpunkte man hierbei setzten könnte, werden wir ausgehend von euren Ideen und den Erfahrungen des bisherigen Projektteams gemeinsam diskutieren.

● “03437-708687” in Kooperation mit Wegweiser e.V. (Link)

Der Wegweiser e.V. hatte im vergangenen Semester die Studiengruppe angefragt, gemeinsam eine Plakat-Kampagne zu entwickeln, die in Schaukästen der Hausflure von 5.000 Mehrfamilienhäusern im Landkreis Leipzig gezeigt werden soll. Mit der Kampagne sollen die Bewohner*innen über häusliche und sexualisierte Gewalt aufgeklärt und sensibilisiert werden, um sich selbst oder anderen helfen zu können. Zudem sollte die neu eingerichtete (Notfall-)Telefonnummer publik gemacht werden. Einen großen Teil des Projekts nahm hierbei die Recherche und Auseinandersetzung mit der Zielgruppe, also der Opfer häuslicher Gewalt, ein. Das Projekt stellt über die Konzeption und Gestaltung der Plakatkampagne viele weitergehende Fragen nach Vielsprachigkeit, nach Privatem und Öffentlichem, nach Medienwahl und nach grafischen Sprachen, die inklusiv sind. Eine Weiterführung des Projekts im kommenden Semester soll sich vertiefend mit diesen Fragen auseinandersetzen und Vorschläge aus der Perspektive eines Parteiischen Designs entwickeln.

Inwiefern andere laufende Projekte für eine Weiterbearbeitung im kommenden Semester in Frage kommen, werden wir im Rahmen der Projektpräsentation am Dienstag, 11.07. ab 16:30 im Hafengebäude EG erläutern und anschließend in unserem Projektbereich kenntlich gemacht.

Ein Pool an weiteren möglichen Kooperationsprojekten wird zu Beginn des Semesters vorgestellt, diskutiert und als Grundlage für die Bildung von Projektgruppen dienen. Hierbei zählen eure Interessen, eure Kapazitäten, eure Kompetenzen und eure Lernwünsche. Wer sich mit den unten genannten Forderungen, der beschriebenen Arbeitsweise und den bisher behandelten Themenfeldern identifiziert, wird hier interessante Untersuchungsgegenstände und Kooperationspartner für Gestaltungsprojekte finden. 
 

TERMINE (Auswahl):

● 2.10., ganztägig: gemeinsamer Check-In, Semesterstruktur, Vorstellungsrunde (digital)
● 4.–6.10., ganztägig: gemeinsame Einführungswoche (verpflichtende Teilnahme, da wir hier die Anfragen diskutieren und Projektteams bilden)
● 9.10., gemeinsamer Besuch der Veranstaltung zum Jahrestag des Anschlags von Halle
● 23.10.–27.10., ganztägig: Semesterwoche 3, Projektwoche (verpflichtend!)
● 28.11., ganztägig: Zwischenpräsentation mit Gast
● 8.1.–12.1. ganztägig: Semesterwoche 12, Projektwoche (verpflichtend!)


MATERIAL (Auswahl):

● Mara Recklies: Können DesignerInnen politisch handeln?
● Eyal Weizman: Open Verification
● Jesko Fezer: Parteiisches Design
● Matthias Görlich: 16 Preliminary Demands


PARTEIISCHES DESIGN. DAS ELEND DER PROFESSIONELLEN DISTANZIERUNG

1
Wir Designerinnen und Akademikerinnen nehmen gesellschaftliche Entwicklungen wahr, die uns Sorgen bereiten. Inakzeptable Zustände wie Armut, Rassismus, Klimakrise, soziale Segregation, Desinformation, Umweltzerstörung, Ökonomisierung, Prekarität, Ausgrenzung und Diskriminierung verschärfen sich.

2

Wir sehen disziplinäre Praktiken und ein Bildungssystem, das diese gesellschaftspolitischen Probleme nicht als seine Aufgaben anerkennt. Sie beharren auf Selbstreferenz und auf den engen disziplinären Grenzen ihrer Professionalität. Somit sind nicht nur wichtige Themen, sondern auch Personen, die eigentlich Adressaten sein sollten, sowie Auftraggeber unserer Arbeit ausgeschlossen.

3

Wir vertrauen auf das Potential des Designs, um unserer Kritik an der Disziplin entgegenzuwirken. Gerade in der Lehre können diese designrelevanten Fragestellungen in den Fokus unseres Engagements rücken, um die unangebrachte Ignoranz der Disziplin endlich zu überwinden und neue Formen der politischen Zusammenarbeit neu zu gestalten.

4

Wir wollen herausfinden, inwieweit unsere Designpraxis sich auf die Seite derer stellen kann, die direkt von sozialen und ökologischen Ungerechtigkeiten betroffen sind und begonnen haben, sich ihnen zu widersetzen. Es ist die Aufgabe der Designausbildung, neue Praktiken vorzuschlagen, die zum sozialen Wandel beitragen, indem sie eingreifen und sich positionieren. Design sollte parteiisch zugunsten realer Probleme und der Anliegen sozialer Akteure sein.

5

Dabei unterstützen wir uns gegenseitig über unsere einzelnen akademischen Einrichtungen hinaus. Eine Struktur des Austauschs, des Teilens und der Fürsorge soll es ermöglichen, Experimente in Parteilichkeit und sozialem sowie politischem Engagement zu vertiefen und kritisch zu reflektieren.
Parteiisches Design erforscht das Potenzial von Design, schädlichen gesellschaftspolitischen Entwicklungen durch die Unterstützung der Zivilgesellschaft entgegenzuwirken. Insbesondere in der Lehre sollte unserer Meinung nach diese designbezogene Frage zu einem neuen Schwerpunkt werden, um neue Routinen, Formate, Hierarchien und Kooperationen für Designpraktiken zu erforschen. Es geht um einen experimentellen Ansatz, der einen sozialen Beitrag leistet, indem er sich einmischt und sich zugunsten realer Probleme und der Anliegen von gesellschaftlicher Akteure positioniert.

Diese Forderungen sind Ausschnitt aus dem Gründungspapier des Netzwerk Parteiisches Design, Prof. Jesko Fezer/HfBK Hamburg, Prof. Maike Fraas/HBK Saar, Prof. Matthias Görlich/BURG. Weitere Mitglieder: Hyperwerk Basel, UdK Berlin, TU Braunschweig, TU Cottbus, Die Angewandte Wien, KH Kassel, Sandberg Institute Amsterdam