Textile Selbstversorgung und kollektives Gestalten

Im nördlichen Argentinien gibt es als „Grupo Thañi“ ein genossenschaftliches Kollektiv indigener Frauen aus Wichi-Gemeinden entlang des Pilcomayo-Flusses, die von der argentinischen Künstlerin Andrea Fernandez begleitet werden und mit dem deutschen Künstler Olaf Holzapfel zusammenarbeiten. Sie fertigen aus den Fasern der Kaktuspflanze Chaguar in einer eigenen Flechttechnik und Mustern Produkte, die sie komplett selber produzieren und direkt vermarkten. Wichtig ist für sie die Ermittlung des Wertes der eigenen Arbeit, die Reflexion über den interkulturellen Dialog sowie die Sicherung der individuellen und kollektiven Urheberschaft. Sie prägen ihre kulturelle Identität über das Material, die Farben, das Handwerk und vor allem durch die Gemeinschaft. Die interkulturelle Arbeit der Thani mit den Künstler*innen verdeutlicht die Auflösung der tradierten Trennung von Kunst und Handwerk. Man tritt in den Dialog, tauscht sich aus und schafft ein „Dazwischen“.

Dieses Kollektiv soll als „Best-Practise“-Vorbild dienen für die Entwicklung eines Modells der Selbstversorgung mit einem lokalem nachwachsenden pflanzlichen Rohstoff wie Leinen oder Hanf, um daraus eine Serie von zeitgenössischen Stoffen zu entwerfen, die eine neue erfundene kulturelle Identität der Projektgruppe darstellen soll - als Beitrag zur „Neuetablierung lokaler kultureller Sprachen“ wie Olaf Holzapfel es in seiner Kunst verfolgt. Bewusst soll die ländliche Region, die Landschaft um Halle eine Rolle spielen als Ort für den Selbstversuch des neuen Umgangs mit den regionalen Ressourcen und der Verortung über das Material und die eigene Mustersprache.

Im Projekt gibt es keine tatsächliche Tradition wie die Chaguar-Stoffe der Wichi, sondern als Basis dienen die regionalen Rohstoffe und ihre zeitgenössische Verwendung. Diese Serie soll gemeinsam in der Gruppe entwickelt werden oder in einzelnen Projekten, die sich aber ergänzen, um sie gemeinsam als Kollektion zu kommunizieren, ggf zu vermarkten.

An Technologien ist alles möglich, was aus dem nachwachsenden Rohstoff herstellbar ist, die Rückführung in den Materialkreislauf sollte immer möglich sein. Alle Rohstoffe, Hilfsmittel etc sollen möglichst kurze Lieferwege haben, um eine größtmögliche Autonomie vom Weltmarkt zu erreichen. Die Muster sollen einen narrativen Anteil haben, der sich mit seiner Symbolik auf die Halle umgebende ländliche Region bezieht. Das können sowohl Phantasiemuster sein als auch eine Transformation traditioneller Muster ins Zeitgenössische.

Der Prozess wird begleitet von Olaf Holzapfel, Andrea Fernandez und Inka Gressel vom ifa-Institut in Berlin. Den Abschluss bildet die Planung einer kollektiven Ausstellung gemeinsam mit Andrea Fernandez, Olaf Holzapfel und der „Grupo Thañi“ im Frühjahr in Halle.