WiSe 2015/16, 3. Studienjahr – Prof. Göttke-Krogmann
„In der Irrenanstalt des Doktor Behrend, in der Nähe Berlins, machte eine alte Frau - sie mochte nah an sechzig sein - Aufsehen. [...]. Man hätte glauben sollen, dass diese alte Frau eine große Dichterin gewesen und dass ein Übermaß geistiger Erregung die Gehirnstörung bewirkt habe. Das Gegenteil war der Fall. Der Nervenarzt, der sich für diese merkwürdige Form von Irrsinn interessierte, zog Erkundungen über ihr Vorleben ein. Was er erfuhr, setzte ihn in das höchste Erstaunen doch war in keiner Weise angetan, das Rätsel ihres Wesens zu lösen.“
(Dohm, Hedwig: Werde, die Du bist! München 2013 [1894], S. 33)
Hedwig Dohms Novelle „Werde, die Du bist!“ aus dem Jahr 1894 erzählt das Leben von Agnes Schmidt, einer Frau um die Sechzig, die aufgrund eines „unerklärlichen Nervenleidens“ ihren Lebensabend in der Psychiatrie verbringt. Aller mütterlichen und ehelichen Pflichten entbehrt (die Töchter sind erwachsen, der Mann verstorben) wägt sie den wahren Kern ihrer Persönlichkeit tief vergraben unter einem Trugbild gelebter Konventionen. Der diagnostizierte Wahnsinn offenbahrt sich mehr und mehr als Ausbruch eines unterdrückten Selbst.
Meine Kollektion versucht die vielschichtigen Facetten dieser Ichsuche einzufangen. Es wurde gefärbt, gedruckt, gestickt und gewebt. Die Stoffe sind als Verwendung im Interieur gedacht.