In seinem Buch ‚über das Neue‘ unterschiedet Boris Groys zwischen dem kulturellen Archiv und dem profanen Raum. Archive, in unserem Kulturkreis vorrangig Bibliotheken und Museen, treffen Entscheidungen darüber, was kulturell relevant ist und damit für die Nachwelt bewahrt werden soll, alles andere verbleibt im profanen Raum und gerät unter Umständen in Vergessenheit.

Diese Dichotomie soll Grundlage für die Auseinandersetzung mit Mode und der individuellen gestalteri-schen Praxis in diesem Projekt sein. Was befindet sich im Archiv, was sind wichtige Narrationen der Mode heute oder in der Vergangenheit und welche Gedanken haben Studierende diesbezüg-lich für ihre eigenen Projekte. Wir möchten uns dem Wert und der Wertedifferenz als treibende Kraft der Innovation zuwenden. Das Neue ist somit nicht schlichtweg das Andere, das Freie oder Individuelle, sondern konstituiert sich durch einen Vergleich zwischen Bestand und Intention, entsteht also auf Grundlage strategischer Überlegungen.  


Inhaltlich kontrastierend werden wir in diesem Projekt mit Altkleidern arbeiten. Denn betrachtet man sich den Wert von Altkleidersammlungen muss es im kulturökonomischen Sinne zu ambiva-lenten Überlegungen führen. Einerseits sind sie kein Archiv, da die Kleidung nicht bewahrt, sondern entsorgt wurde. Andererseits können anhand von Häufigkeit, bzw. Seltenheit bestimm-ter Kleidungsstücke und Materialien gesellschaftliche, ökonomische und kulturelle Tendenzen abgelesen werden. Grundsätzlich sind sie somit eher ein Abbild des profanen Raums. Gleichwohl könnte man sagen, dass es sich um die Antithese des aktuellen profanen Raums handelt, da die Altkleider nicht mehr im Umlauf sind und somit für ihre Besitzer:innen an persönlichem Wert verloren haben, sei es dass sie unmodisch, unpassend oder defekt sind.  
Der ökonomische Wert dieser Altkleider kann anhand der Arbeit der Altkleidersortieranlagen beobachtet werden. Die verschiedenen Sortierkategorien entscheiden über die Zukunft der Kleidungsstücke, ob sie wiederverkauft, exportiert oder zu neuen Stoffen verarbeitet werden. Hierzu sind sowohl eine Exkursion und verschiedene Vorträge geplant, um Einblicke in die industriellen Abläufe zu erhalten. 


In diesem Projekt sollen Studierende Altkleider als Grundlage nehmen, um eine in sich schlüssige Kollektion von 3 bis 4 Outfits zu erstellen, sowie ein Produkt für den Burg Shop, das im Rahmen der Modenschau verkauft werden soll. Die individuelle Intention und die Auseinandersetzung mit dem Begriff des Neuen soll dabei sowohl die Auswahl der Altkleider bestimmen, als auch den gestalterischen Umgang mit Ihnen. Dabei können beispielsweise inhaltliche Interpretationen durch Re-kontextualisierung, ästhetische Gesten, die den Begriff des Geschmacks verhandeln oder auch technische Überlegungen zur seriellen Gestaltung mit Altkleidern eine Rolle spielen. Als gestalterische Methoden sollen insbesondere die Hybridisierung und Dekonstruktion genutzt werden und mittels Improvisation und Dokumentation gleich zu Beginn des Projekts wichtige ästhetische Entscheidungen für die Kollektion getroffen werden. Als Mittel der Homogenisierung werden Studierende sowohl in der Färberei mit Lisa Runkehl, als auch in der Textilrestauration mit Lisa Reichmann arbeiten. Die Stückfärbung (Garment Dye), der Siebdruck mit Pigmenten, beziehungsweise das Malen mit Farben auf den Kleidunststücken können verschiedene Möglich-keiten sein, um ein einheitliches Kollektionsbild zu erstellen. In der Handstickerei sollen insbe-sondere die Technik des Sashiko, eine japanische Technik zur Verstärkung und Reparatur, sowie verschiedene Handsticktechniken, als potentielle dekorative oder funktionelle Techniken erprobt und letztlich auch angewendet werden.

Im Rahmen des Produkts für den Burgshop findet eine Einführung in die Preiskalkulation statt.