Wir leben in einer Zeit der Telepräsenz. Zu jeder Zeit sind wir im physischen und/oder digitalen Raum Sender und Empfänger. You cannot not communicate hat eine neue Dimension erreicht. Denn selbst in Momenten, in denen wir vermeintlich passiv sind, senden und empfangen unsere Devices ständig Daten: Zeichen, Texte, Töne, Bilder, Videos.
Dabei hat sich unsere Kommunikation im Laufe der letzten Jahrzehnte deutlich geändert. Während früher ausschließlich face to face kommuniziert werden konnte, entwickelten sich mit der Entstehung von Zeichen und Schrift neue Kommunikationswege, die eine indirekte Kommunikation zuließen. Durch das Telefon wurde es möglich, über große Entfernungen in Echtzeit zu kommunizieren, das Radio und Fernsehen schafften eine bislang nie dagewesene Kommunikationsreichweite, ließen aber noch keine Interaktion zu. Das Internet ist das erste Massenkommunikationsmittel, welches die Möglichkeit bietet, Inhalte nicht nur zu empfangen, sondern auch zusenden. Wir leben in einer Zeit der Koexistenz all dieser Kommunikationsmittel. Wir sind Digital Natives, aber auch Brief, Buch und Telefon Natives.
Da unsere Generation die Entstehung neuer Kommunikationskanäle mitverfolgen konnten, haben wir gelernt, wie die Kommunikation darin funktioniert. Diesen Erfahrungsschatz möchten wir im kommenden Semester nutzen, um uns mit den Phänomenen und Eigenschaften der heutigen digitalen Kommunikation auseinanderzusetzen.
Technologie formt Kommunikation, Verhalten und letztendlich auch das gesellschaftliche Miteinander. Das Internet bietet eine nie da gewesene Möglichkeit der interkulturellen Kommunikation, überwindet die Grenzen von Zeit und Raum, erlaubt neue/alternative Identitäten oder Anonymität. Übersetzungsdienste und barrierearme Anwendungen erweitern die Reichweite und das Publikum für Informationen. Doch Kommerzialisierung, Überwachung, Filter bubbles, personalisierte Werbung und politisches Targeting gehen mit all den vermeintlich positiven Neuerungen Hand in Hand.
Gemeinsam wollen wir verschiedene Phänomene der digitalen Kommunikation sammeln, untersuchen und die Potenziale und Gefahren in eigenen Projekten verständlich machen, diese kommentieren, auf die Spitze treiben oder verbessern. Das Ziel des Semesters ist es, eine interaktive Anwendung (utopisch, dystopisch, dokumentatrisch, spekulativ, karikativ) zu gestalten. Dabei sollen einerseits die eigenen Erkenntnisse kommuniziert werden, andererseits aber auch die Besonderheiten durch Interaktion und Gestaltung verdeutlicht und erlebbar gemacht werden.