Wahlpflicht Sprache und Text
SoSe 2020
Lina Morawetz
Das Seminar beschäftigt sich damit, wie unser Verständnis und unsere Produktion von Text durch eine vermehrte Aufmerksamkeit auf die Stimme und auf Gehörtes – Klangfarben und Akzente, Rhythmen, liminale Sonosphären, Stottern, Verschwiegenes und Verzerrtes, um einige Aspekte zu nennen – radikal neukonfiguriert wird.
Untersucht werden die Schnittstellen und Verästelungen von gesprochener Sprache und geschriebenem Text, von Mündlichkeit und Schriftlichkeit. Die Aufmerksamkeit auf verschiedene Bereiche des Mündlichen und des Akustischen, auf Soundachsen, die Stille, Zeugenschaft und Redeflüsse bietet viele Möglichkeiten für die Gestaltung von erzählenden und reflexiven Texten sowie für interdisziplinäre textuelle Praxen.
Neben dem „closereading“ (eingehendes Lesen) und Besprechen von ausgewählten literarischen und philosophischen Texten zum Thema sollen im Laufe des Seminars eigene Texte produziert werden, die ebenfalls besprochen werden.
Welche Schreibweisen, Aufzeichnungsverfahren und Textformen kann ein stets unfertiges, formloses Hörgeschehen hervorbringen? Inwiefern reden die Medien selbst mit (uns)? Für die Philosophen Gilles Deleuze und Felix Guattari (die einflussreiche Texte wie Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie im Kollektiv verfassten) bildet die gesprochene Sprache „Knollen“, weil sie wesentlich heterogen, uneinheitlich ist; „der Akzent“, das beobachtete wiederum die Schriftstellerin Yoko Tawada, „ist das Gesicht der gesprochenen Sprache.“ Wer spricht? „Das Zuhören spricht,“ stellte Roland Barthes fest, und der erste Essayist, Michel de Montaigne, schlug vor, das Wort gehöre zur Hälfte denen, die sprechen, und zur Hälfte denen, die hören. Und wenn Truman Capote behauptete, alle Literatur sei Klatsch („all literature is gossip“), ist dann auch jeder Klatsch gleich Literatur? Was ist das Akusmatische, was ist ein Klangzeuge?
Texte von: Zora Neale Hurston, Rachel Cusk, Vladimir Sorokin, Uljana Wolf, Gilles Deleuze und Felix Guattari, Athena Farrokhzad, Michel Chion, Shela Sheikh, Roland Barthes, Fiston Mwanza Mujila, Petra Gehring, Yoko Tawada, Hubert Fichte, Arno Schmidt, Giorgio Agamben, Carlfriedrich Claus, und anderen.
Die Texte werden digital zur Verfügung gestellt (Dropbox). Wir werden auch eine Sammlung von Audioarchiven zusammenstellen (Oral History, Lautpoesie usw).
Erster Termin 24.04.2020, 10.00 Uhr via Skype (Details kommen vorab per Email).
Inhaltliche Einführung und Organisation Seminarablauf
* aus: James Joyce, Ulysses (1922)
Termine:
Fr, 24.04.2020
Fr, 08.05.2020
Fr, 22.05.2020
Fr, 29.05.2020
Fr, 12.06.2020
Fr, 19.06.2020