Schwerpunktprojekt Fotografie
SoSe2021

Prof. Stephanie Kiwitt
Felix Bielmeier
Heike Hertwig (Werkstatt Fotografie)

Im August 2020 hat der Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates das “Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen” beschlossen: Im Zuge des Ausstiegs aus dem Braunkohleabbau und der Verstromung von Braunkohle sollen bis 2038 Finanzhilfen in das Wirtschaftswachstum unter anderem des Mitteldeutschen Reviers Sachsen-Anhalt fließen, die nach einem ökonomischen, ökologischen und sozialen Verständnis eine nachhaltige Entwicklung der Region fördern sollen.

Die Studienschwerpunkte Fotografie und Informationsdesign nehmen diesen Beschluss gemeinsam zum Anlass, sich mit den Folgen von Extraktivismus, Klima- und Strukturwandel für die Landschaft und die Bewohner*innen der Region zu beschäftigen. Der Titel ist eine Herausforderung, dabei in zwei Richtungen zu denken. Nach den Regeln der Normalität: Sich an die Regeln halten und diese Normalität erzeugen. Oder: Was wird Normalität sein, wenn die Regeln, die die bisherige Normalität bestimmten nicht mehr gelten?

Das Projekt ist eine Zusammenarbeit der Studienschwerpunkte Fotografie und Informationsdesign in Kooperation mit der Stabsstelle Strukturwandel der Staatskanzlei Sachsen-Anhalt. Es beginnt in der Einführungswoche mit einer Wanderung durch das Mansfelder Land und Gesprächen mit Gästen aus den Bereichen Sozialarbeit, Politik, Wirtschaft, Klimaforschung, Literatur, Kunst und Design. In regelmäßigen Treffen beider Schwerpunkte werden die entstehenden Projekte und Arbeiten innerhalb der Gruppe reflektiert und mit den real-weltlichen Erfahrungen in der Region abgeglichen. Wir sind offen für Interventionen und möchten im Rahmen logistischer Möglichkeiten verschiedene Modelle der Präsentation vor Ort entwickeln. Im Anschluß an das Semesterprojekt wird zusammen mit den Studierenden eine Publikation erarbeitet, die Recherche, Gespräche und entstandene Arbeiten reflektiert. Zur Einführung wird ein Reader zur Verfügung gestellt.

 

 

Im Studienschwerpunkt Fotografie beschäftigen uns insbesondere die historischen und gegenwärtigen Bildsprachen und Sprachbilder, die die Region aus einer wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und künstlerischen Perspektive denken und mitgestalten. Für unsere Arbeit ist weniger entscheidend, ob bestehendes Material beispielsweise aus Archiven gesichtet wird oder fotografische Beobachtungen oder Interpretationen entstehen. Vielmehr möchten wir in Begegnungen und Gesprächen erforschen, ob und wie Faktoren wie Bedürfnis, Vision, Verordnung, Traum und Enttäuschung die Bildproduktion im regionalen Kontext gestern beeinflußt haben und heute beeinflussen.

Im Gespräch mit Gästen aus den Bereichen zeitgenössische Fotografie, Bewegtbild und Interview/Text lernen wir Positionen und Methoden kennen, die unsere Arbeitsweisen bereichern. Wir werfen zudem einen Blick auf die Geschichte einer im weitesten Sinne auch zivilisationskritischen Fotografie (1) und sehen uns Bilder an, die als von aussen herangetragene Werkzeuge dienten, um soziale und gesellschaftliche Veränderungen zu forcieren (2). Beim Griff in die Vergangenheit interessiert uns auch das kollektive Bildgedächtnis, zu dem naturgemäß jede/r einen anderen Zugang hat. Dem Öffentlichen stehen viele ungesehene oder private Bilder entgegen, die im persönlichen Kontakt freigelegt werden können und immer auch leise Zeichen für Normalität oder Umbruch sind. Sie könnten einen wertvollen Beitrag für eine möglichst breit gefächerte Bildwerdung nach den Regeln der Normalität leisten.

 

https://taz.de/!336244/

https://www.loc.gov/pictures/collection/fsa/sampler.html