Ende 2023 beleidigte der KI-Künstler Refik Anadol den US-Kunstkritiker Jerry Saltz auf eine Weise, die die Urangst jedes Feuilletonisten berühren dürfte: „Chat GPT writes better than you“, schrieb Anadol auf X, nachdem Saltz seine Installation im New Yorker MoMA kritisiert hatte. Schlechte Reviews seien am Ende auch nichts weiter als Daten, mit denen man wiederum Algorithmen trainieren könne.
Diese Episode zeigt eine Machtverschiebung im Kunstsystem: War es lange selbstverständlich, dass Künstler*innen produzieren und Kritiker*innen bewerten, ist diese Hierarchie heute aufgebrochen. Durch Social Media kann jede*r kritisieren und darauf antworten; die klassischen legacy media wie Zeitungen und Magazine verwenden immer weniger Ressourcen für Kulturberichterstattung; und die Textproduktion durch KI erzielt immer menschenähnlichere Ergebnisse. Außerdem steigt die Sensibilität für Diskriminierung im Kunstfeld, und es wird zunehmend gefragt, wer eigentlich mit welchem Recht wen beurteilt.
In diesem Workshop soll es um die Rolle gehen, die Kritik heute spielt und die Frage, inwiefern über Kunst schreiben auch eine Art von Vermittlungsarbeit sein kann. An Beispielen werden wir besprechen, was eine gute Kritik ausmacht und welche Werkzeuge es gibt, um auch Leser*innen außerhalb des klassischen Kunstpublikums zu erreichen.
Außerdem sollen im Rahmen der Veranstaltung eigene Texte entstehen. Dazu werden wir zusammen Ausstellungen besuchen und gemeinsam mögliche Schreibansätze entwickeln. Die fertigen Texte werden dann am letzten Termin besprochen und gelten auch als Leistungsnachweis für diesen Workshop
Veranstaltungsplan:
25.4.: Einführung zur Rolle der Kunstkritik in der gegenwärtigen zersplitternden Medienwelt / Gemeinsames Besprechen von Beispieltexten
30.5.: Exkursion zu Ausstellungen (Details werden bei Termin 1 besprochen), Vorbereitung der eigenen Texte
20.6.: gemeinsame Besprechung der fertigen eigenen Texte / Abschlussdiskussion
Vorbereitung: Es wäre hilfreich, in den Wochen vor dem ersten Termin regelmäßig die Feuilletons großer Medien durchzuschauen (gern online) und ein Gefühl dafür zu bekommen, über welche Themen aus der zeitgenössischen Kunst berichtet wird. Empfehlenswert sind dabei zum Beispiel die Kulturteile der „Süddeutschen Zeitung“, „FAZ“, „Zeit“, „Monopol“, „Weltkunst“, „Taz“, „Neue Zürcher Zeitung“. Ausgewählte Texte werden dann an den Präsenzterminen besprochen und können vor Ort gemeinsam gelesen werden.
Lehrende: Saskia Trebing hat Kunstgeschichte, Literaturwissenschaften und Nordeuropawissenschaften in Berlin und Potsdam studiert. Sie ist Redakteurin beim Kunstmagazin Monopol. Zu ihren Themenschwerpunkten gehören die Verschränkung von Kunst und Politik und die Documenta in Kassel.