Welche Auswirkungen hat es, wenn eine Künstlerin als Professorin unterrichtet? Im besten Fall entstehen dabei Gaben, werden Gaben getauscht und es wird im reziproken Verhältnis darüber kommuniziert.
SPÄTE GABE / Kunst und Lehre / Una H. Moehrke
Welche Auswirkungen hat es, wenn eine Künstlerin als Professorin unterrichtet? Im besten Fall entstehen dabei Gaben, werden Gaben getauscht und es wird im reziproken Verhältnis darüber kommuniziert. Was können Studierende geben und annehmen, was gibt und nimmt die Lehre allen Beteiligten? Auf welche Weise kann das Gabe Element in Kunst und Lehre erscheinen? Die Facetten der Gabe sollen in der Lehre unter künstlerischen Aspekten betrachtet werden und es soll gefragt werden, welchen Einfluß diese Themenstellung nehmen kann.
SPÄTE GABE
Kleine Phänomenologie der künstlerischen Praxis und der künstlerischen Lehre
Einen Fokus auf die Gabe habe ich in meiner künstlerischen Arbeit und Lehre seit 2010 gelegt. Welche Spuren hat das in beiden Feldern hinterlassen, sind sie überhaupt zu verfolgen oder steht das im Widerspruch zur Definition der Gabe, die sich ja unwillkürlich vollzieht? Folgt das künstlerische Handeln nicht sowieso in der einen oder anderen Art indirekt den intellektuellen Anregungen, denen wir uns aussetzen? Wie also ist der Gabe-Kontext in der ästhetischen Praxis zu fassen? Als Bereitschaft, mich den Impulsen und der Intuition im Atelier immer weiter überlassen zu können, ohne dem ausbremsenden Denken Raum zu geben, das danach fragt, was bildfördernd oder bildzerstörend wirkt. So kann ich vorläufig den 'Gabe-Anteil' benennen. Oder auch mit dem Mut zur ersten Natur, der die zweite Natur mit all ihren gebildeten und erinnerten Formen, Gesetzen, formalen Gewohnheiten, ihrem internalisierten Zwang des anzuwendenden Vorwissens außer Kraft setzt zugunsten eines unprüfbaren Versuchs mit großer Scheiter-Toleranz. Eines Versuchs, der sich nicht dem sicheren Anspruch verschreibt, sondern in der unmittelbaren Präsenz das Unfassbare wahrnehmen lernt, zulässt und erst postum bewertend anschaut.
Mein Thema ist das Ausloten zwischen der eigenen künstlerischen Praxis und der Lehre an einer Kunsthochschule. Jahrelang als Antagonismus unbegriffen begriffen, werfe ich aus einer neuen Perspektive zum Abschluss einen Blick auf meine Lehrtätigkeit. Im Aufbruch in die künstlerische Freiheit nach der Lehrverpflichtung schaue ich zurück und versuche die inneren Antriebe zu entdecken: Welche Inhalte und Erscheinungsformen sind vergleichbar zwischen Kunst und Lehre? Was hat mich aufgehalten, gebremst oder beflügelt bei der Weitergabe in Kunst und Lehre? Waren die Unterbrechung der Atelierkontinuität durch das Vermitteln innerhalb von Lehrformaten nur störend oder beflügelt die Lehrdimension sogar die eigene Aktivität und Disziplin und füllt die Zeit effektiver als jede Gelassenheit im künstlerischen Arbeiten? Retrospektiv sehen zu wollen, was unsichtbar wirkte, mich und Studierende bewegte - bewusst wie untergründig, ist der Versuch. Der Zusammenhang von forschen und studieren soll hier nicht funktionalisiert betrachtet werden. Mir geht es darum, im phänomenologischen Vergleich sehen zu wollen, in welcher Gestalt sich Fragen stellen lassen, Fragen erscheinen können, uns zu überraschen vermögen und sich doch erst im Nachhinein vollends entschlüsseln lassen. (Una H. Moehrke, 2018)