Schrift und Typografie
Prof. Andrea Tinnes und Pierre Pané-Farré
Sommersemester 2019, R 210 NLG

»Jegliche Form des Kollektiven ist von einer spezifischen Ambivalenz gekennzeichnet: es ist gleichermaßen in reaktionäre wie emanzipatorische Diskurse verstrickt, es changiert zwischen imaginärer Besetzung und identitätsstiftendem Zusammenschluss.«*


Im Rahmen des 100-jährigen Jubiläums des Bauhauses hatten wir uns im Wintersemester 2018/19 unter dem Titel »Learning/Unlearning from Bauhaus« mit den Grundideen des Bauhaus aus der Perspektive der »Schrift und Typografie Grundlagen« auf verschiedenen Ebenen auseinander gesetzt. Dabei sind wir immer wieder auf den Begriff des »Kollektivs« gestoßen und haben festgestellt, dass der Kollektivgedanke und kooperative Prozesse am Bauhaus durchweg eine wichtige Rolle gespielt hatten. Offensichtlich galt für die Lehrenden und Studierenden am Bauhaus der Grundsatz, dass »alles Lernen, Experimentieren, Erfinden und Arbeiten ein gemeinschaftliches sein muss«.**
Infolgedessen entstand die Idee, uns nun im Sommersemester 2019 im Schwerpunktprojekt »Schrift und Typografie« ausschließlich dem Thema des »Kollektivs« und seiner vielfältigen Subthemen zu widmen. Der Gedanke eines gemeinschaftlichen und vernetzenden Arbeitens soll dabei ganz konkret in der Planung und Durchführung des Semesterprojektes in einem offenen Dialog umgesetzt werden. Ziel ist es, den Seminarraum in ein kollektives, anti-hierarchisch organisiertes Denk-, Lern-, und Gestaltungslabor zu verwandeln, in dem wir gemeinsam recherchieren, lesen, analysieren, ausloten, diskutieren, hinterfragen, zweifeln, entwerfen, verwerfen, sammeln, samplen, experimentieren und gestalten.

Mit folgenden Themenkomplexen werden wir uns beschäftigen:

Kollektive Identitäten, Communities und Subkultur:
Symbolsysteme, Sprachen, Codes und Styles
Zugehörigkeit, Abgrenzung und Ausgrenzung

Kollektives Lernen, Arbeiten und Wohnen:
Kooperation, Kollaboration und Vernetzung
Gemeinschaftliche Räume und Orte des Gemeinschaffens

Kulturtechniken des Kollektiven und Praktiken der Kollektion:
Sammeln und Archivieren, Montieren und Zeigen,
Tausch und Zirkulation, Ritual und Spiel***
Schrift als Kollektion, Schriftgestaltung als kollektive Praxis

Aus dem gesamten Themenkomplex können unterschiedliche Teilprojekte entwickelt werden, einzeln oder gemeinsam im Team. Das Semester Curriculum inklusive Workshops, Aktionen, Gäste, Vorträge, Exkursionen, Literatur- und Filmlisten sowie ein Auftaktworkshop in der Einführungswoche werden kollektiv diskutiert, geplant und durchgeführt.
Hierfür ist ein erstes Treffen am Donnerstag, dem 7. Februar 2019, um 11:00 Uhr vorgesehen (verpflichtend).

Seminarzeiten im Semester sind in der Regel: Montags 14:30 Uhr bis 18:00 Uhr, Dienstags, 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr; Mittwochs: freie Konsultationen. Gegen Semesterende sind auch Konsultationen Donnerstags möglich.

Anvisiert ist darüber hinaus eine Exkursion zur »Biennale de Design Graphique de Chaumont«.
Weitere mögliche Projekte: Fontzine Nr #2 und eine Online-Plattform für die Veröffentlichung studentischer Schriften.

Texte (erste Auswahl):
Kobena Mercer: Black Hair Style Politics
Martha Scotford: Messy History vs. Neat History
Andreas Reckwitz: Zwischen Hyperkultur und Kulturessenzialismus (http://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtspopulismus/240826/zwischen-hyperkultur-und-kulturessenzialismus)
Andrew Blauvelt: In and Around: Cultures of Design and the Design of Cultures

Bücher (erste Auswahl):
Carolin Emcke: Kollektive Identitäten
Bruno Latour: Kollektive: Kontroversen zur Entgrenzung des Sozialen
Philippe Descola: Von Ganzheiten zu Kollektiven. Wege zu einer Ontologie sozialer Formen


1* Theorien und Praktiken des Kollektiven, EMW FH Potsam: fhp.incom.org
2* Zeitschrift bauhaus 7 – Kollektiv, Editorial: www.bauhaus-dessau.de
3* Laborgruppe Kulturtechniken – Tagung »Kulturtechniken des Kollektiven«: https://www.uni-erfurt.de/projekte/kulturtechniken/veranstaltungen/tagung-kulturtechniken-des-kollektiven/